In gut vier Wochen sind die Deutschen aufgerufen, zur Europawahl zu gehen. Und für viele Journalisten und Politiker steht fest: So wichtig war die Europawahl schon lange nicht mehr. Denn sie fällt in eine Zeit, in der sich Europa in extrem unruhigem Fahrwasser befindet. Der schwelende Handelskrieg mit den USA, die neue Stärke der Populisten und nicht zuletzt der Brexit haben wenig Raum für positive Ideen und Visionen in der EU gelassen. Kein Wunder, dass viele von einer „Schicksalswahl“ sprechen, in der über den Fortbestand der EU abgestimmt wird. Der Brüssel-Korrespondent der Zeit, Matthias Krupa, warnt vor dieser Dramatisierung: „Es ist falsch, die Europawahl als eine Art Referendum zu inszenieren, als eine schicksalhafte Entscheidung zwischen zwei konträren Positionen. Weder die französische Präsidentschaftswahl noch die britische Brexit-Abstimmung taugen als Muster. Da standen zwei klare Alternativen zur Abstimmung: Macron oder Le Pen; Austreten oder Bleiben. Eine vergleichbare Entscheidungssituation gibt es bei der Europawahl nicht.“ Auch eine angebliche Europafeindlichkeit im großen Stil will der Autor nicht gelten lassen. Laut einer Allensbach-Umfrage sagen nämlich 55 Prozent der Deutschen, Europa sei „unsere Zukunft“. Bei den Jüngeren sind es knapp zwei Drittel. Abschließend fordert Krupa deshalb: Pläne statt Panik!
Bei der vorigen Europawahl gingen 42 Prozent der Europäer an die Urne. In Deutschland lag die Wahlbeteiligung knapp darüber. Eine detaillierte Ansicht aller EU-Wahlergebnisse nach Ländern, Jahren und Parteien sortiert liefert die Homepage des Europäischen Parlaments.
Udo Bullmann, Sven Giegold und Özlem Demirel – alles EU-Spitzenkandidaten deutscher Bundestagsparteien. Wem diese Namen nichts sagen, der sei beruhigt: er befindet sich damit in der Mehrheit. 45 Prozent der Deutschen kennen sogar keinen einzigen der neun Spitzenkandidaten. Zu diesem Ergebnis kommt das Meinungsforschungsinstitut YouGov. Besonders bitter ist das Ergebnis für die Union und ihren Spitzenkandidaten Manfred Weber, der Präsident der EU-Kommission werden will. Trotz hoher Medienpräsenz kennt ihn nur jeder vierte Deutsche. Welche Themen den Bürgern besonders wichtig sind und welche Rolle die deutsche Innenpolitik bei der EU-Wahlentscheidung spielt, kann man auf der Studienseite von YouGov nachlesen.
Dabei sein wollen sie nicht, wählen sollen sie jetzt aber schon – Die Briten befinden sich in einer äußerst schizophrenen Situation. Denn aktuell muss davon ausgegangen werden, dass Großbritannien an der Europawahl teilnimmt – trotz des Brexit-Referendums. Und so beginnt in diesen Tagen ein Wahlkampf, den der britische Schatzkanzler und Regierungsmitglied Philip Hammond eine „sinnlose Aufgabe“ nennt, für die sich wohl keiner gerne einsetze. Der politische Chef-Kommentator der britischen Zeitung The Guardian analysiert, was eine Teilnahme an der Wahl für die englischen Parteien bedeuten könnte. Vor allem die Tories von Premierministerin May werden wohl ein Debakel erleben, das sich auch innenpolitisch auswirkt. „Es gibt eine große Gruppe an Wählern, die oft vergessen wird: Konservative, die in der EU bleiben wollen. Die wählen nun wohl Anti-Brexit-Parteien. Die EU-Wahl könnte zu einer Art Ersatz-Referendum über den Brexit werden“, schreibt der Guardian.
In Deutschland hat der Wahlkampf begonnen. In den meisten Städten hängen bereits Wahlplakate, die mal mehr, mal weniger konkret über die Europapläne der Parteien informieren. Wer wirklich informiert wählen will, sollte besser einen Blick in die Parteiprogramme werfen. Spiegel Online hat die wichtigsten Ansichten und Vorhaben der Parteien zusammengefasst.
Wie vor jeder Wahl gibt es auch 2019 ein TV-Duell. Am 16. Mai 2019 strahlt das ZDF gemeinsam mit dem ORF eine Debatte mit Manfred Weber (CSU) und dem Spitzenkandidaten der Europäischen Sozialdemokraten, dem Niederländer Frans Timmermans, aus. Bereits vor einem Monat haben Manfred Weber und Katarina Barley, die SPD-Spitzenkandidatin, über die wichtigsten Themen Europas debattiert. Die Sendung „Was nun, Europa?“ ist noch in der Mediathek zu sehen.