Die Tafel in Essen, die Lebensmittel an Bedürftige verteilt, sieht sich derzeit großer Kritik ausgesetzt. Hintergrund ist die Entscheidung, vorübergehend keine Menschen ohne deutschen Pass mehr neu aufzunehmen. Daraufhin wurde den Verantwortlichen der Essener Ausgabestelle Fremdenfeindlichkeit vorgeworfen. Doch die Tafel ist bei ihrer Entscheidung geblieben. Der Chef der Tafel, Jörg Sartor, begründet seine Entscheidung unter anderem damit, dass es „insbesondere mit vielen ausländischen Männern, die in die verschiedenen Ausgabestellen kamen, Probleme bei der Essensausgabe“ gegeben habe. Die Deutsche Welle war vor Ort und hat mit Kunden der Tafel gesprochen.
Unter dem Motto »Lebensmittel retten. Menschen helfen« sammeln die Tafeln in ganz Deutschland Lebensmittel ein, die im Wirtschaftskreislauf nicht mehr verwendet werden können, und verteilen sie an Bedürftige. Mit rund 60.000 ehrenamtlichen Mitarbeitern, 934 Tafeln und etwa 2100 Ausgabestellen gelten die deutschen Tafeln als eine der größten sozialen Bewegungen der Zeit. Die erste Tafel wurde im Jahr 1993 in Berlin aus der Taufe gehoben.
Zeit Online findet die Entscheidung, nur Deutsche zu versorgen, „falsch“, sie verstoße gegen die Satzung der Tafeln. Die ziele auf die Bedürftigkeit, nicht auf die Herkunft der Menschen. Doch gemessen an der Bedeutung eines lokalen Tafelbetreibers sei der bundesweite Shitstorm absurd und stürme am wirklichen Skandal vorbei. Den sieht die Autorin darin, dass bei uns – trotz wiederholten Rekordüberschüssen – so viele Menschen aufgrund finanzieller Notlagen zu Tafeln gehen müssen.
Das eigentliche Thema heißt also Ungleichheit. Jedes fünfte Kind in Deutschland ist arm. Und wer einmal arm ist, bleibt lange arm, hat die Bertelsmann-Stiftung in einer Studie im Herbst 2017 festgestellt. Besonders von Armut bedroht sind drei Gruppen: Kinder alleinerziehender Eltern, Kinder mit mindestens zwei Geschwistern und Kinder mit geringqualifizierten Eltern. Ein Armutszeugnis für Deutschland im wahrsten Sinne.
Jakob Augstein findet die Kritik an der Essener Entscheidung von Politikern wie Familienministerin Katarina Barley wohlfeil: „Eine Schande ist der Vorgang vor allem für Angela Merkel und die SPD. Merkel ist mit ihrer Flüchtlingspolitik gescheitert und die SPD mit ihrer Sozialpolitik“, so der Journalist in seiner Spiegel-Online-Kolumne. Die SPD habe erst die Agenda-Politik erfunden und dann jahrelang das Sozial- und Arbeitsministerium besetzt. Augstein meint: „SPD-Politiker sollten bei diesem Thema besser schweigen“.