Vier wichtige Indikatoren für den Klimawandel haben nach dem neuen Klimazustandsbericht der Weltwetterorganisation (WMO) Rekordwerte erreicht. Das unterstreicht laut WMO die verheerenden Folgen der menschlichen Aktivitäten für die Ökosysteme, die eigentlich das Überleben der Menschheit sichern sollen. Rekorde gab es beim Anstieg des Meeresspiegels, dem Wärmeinhalt der Ozeane, der Versauerung der Meere und der Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre. Dabei handelt es sich vor allem um Kohlendioxid (CO2). Auch die Grenze von 1,5 Grad Erderwärmung rückt immer näher. Zumindest zeitweise könnte sie schon in den kommenden fünf Jahren erreicht werden, so die WMO. 2015, beim Pariser Klimaabkommen, galt es noch als praktisch ausgeschlossen, dass die Marke von 1,5 Grad innerhalb von fünf Jahren erreicht wird.
Der Klimawandel zum einen, aber auch der Krieg Russlands mit der Ukraine zeigen aktuell die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Überall wird deshalb nach Möglichkeiten gesucht, Sonne und Windkraft verstärkt zu nutzen. Deutschland, Dänemark, die Niederlande und Belgien haben vor kurzem den Nordsee-Windpakt unterzeichnet. Dadurch wollen die Länder das „grüne Kraftwerk Europas“ werden – vor allem durch die Weiterentwicklung von Offshore-Windenergie.
Dänemark will schon im Jahr 2028 seinen kompletten Strom aus Offshore-Wind gewinnen, dafür bauen die Dänen derzeit eine Energieinsel mit hunderten Windrädern und 10 Gigawatt Leistung. Dänemark kann damit Vorbild in Sachen Windkraft sein. Das Land hat diese Form der Energiegewinnung in den vergangenen 20 Jahren ausgebaut.
Währenddessen machen in Deutschland wichtige Werke dicht: Der Turbinenhersteller Nordex etwa schließt seine Rotorblattfertigung in Rostock. Das Unternehmen hatte Ende Februar angekündigt, die Rotorblattproduktion nach Asien zu verlegen. Die Produktion im Werk in Mecklenburg-Vorpommern soll Ende Juni 2022 enden. 600 der weltweit rund 8600 Mitarbeiter seien von der Entscheidung betroffen, teilte Nordex vor einigen Wochen mit. Nordex beklagte den zunehmenden Preiswettbewerb in der Branche, der zu hohem Kostendruck auf die Hersteller von Turbinen führe.
Bereits jetzt ist Wind der zweitwichtigste Energieträger – und trug 2021 mit mehr als einem Fünftel zur deutschen Stromerzeugung bei. Beim Ausbau der Windkraft hinkt die große Mehrheit der Bundesländer jedoch weit hinter den Zielen der Bundesregierung her. Im Verhältnis zur Fläche sind Bremen (0,21 Windräder pro Quadratkilometer) und Schleswig-Holstein (0,19) die Spitzenreiter beim Ausbau der Windenergie. In Berlin (0,01) und Baden-Württemberg (0,02) ist die Windrad-Dichte dagegen besonders gering, ebenso in Bayern (0,02). Auch weil dort für den Abstand zur nächsten Siedlung die sogenannte 10H-Regel gilt. Die besagt: Ein neues Windrad soll zur nächsten Siedlung einen Mindestabstand vom zehnfachen seiner Höhe einhalten. Eine moderne Anlage, die bis zu 250 Meter hoch sein kann, muss also mindestens 2,5 Kilometer von der nächsten Siedlung entfernt sein. Erst seit Ende April gibt es in Bayern Ausnahmen von der 10H-Regel.
Auch in Nordrhein-Westfalen müssen mindestens 1000 Meter zwischen neuen Windrädern und Wohngebieten liegen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) arbeitet laut Medienberichten derzeit an einem Gesetzentwurf, der die Abstandregeln in den Ländern aushebeln würde. Allerdings mit dem Zusatz, dass die bestehenden Mindestabstände „vorerst fortgelten können“. Dass der Entwurf so kommt, wie er jetzt kursiert, ist unwahrscheinlich. Widerstand kommt aus der FDP, berichtet die FAZ.
Der Niedergang der deutschen Windindustrie ist umso bedrückender, weil dabei die Fehler wiederholt werden, die schon bei der deutschen Solarbranche gemacht wurden. Volker Quaschning, Professor für regenerative Energiesysteme von der HTW Berlin, berichtet bei n-tv, wie zwischen 2012 und 2015 die damalige Bundesregierung die Solarindustrie behandelt hat und diese dann in großen Teilen nach China abgewandert ist: „Das waren verschiedene Bausteine. Es fing an mit einer Art Psychoterror. Die Bundesregierung hat klargemacht, dass der Ausbau der Solarenergie so nicht weitergehen kann. Peter Altmaier, der damalige Bundesumweltminister, hat sogar gesagt, dass man darüber nachdenkt, rückwirkend die Vergütung für Solarmodule zu kürzen.“
Auch das ARD-Magazin „Plusminus“ hat sich damit beschäftigt, wie die Zukunftsbranche Solar heruntergewirtschaftet und Deutschland vom Weltmarktführer zum Bittsteller wurde. Mit dem Resultat einer großen Abhängigkeit von China: Während Deutschland bei Erdgas vor dem Ukraine-Krieg zu 55 Prozent von Russland abhängig war, liegt die Abhängigkeit von China bei Solarzellen bei 95 Prozent.