Geld kann Russlands Staatschef Wladimir Putin für seine Kriegswirtschaft derzeit dringend gebrauchen – und Europa hilft dabei, diese Maschinerie am Laufen zu halten. Aktuell finanziert die EU mit gut einer Milliarde Euro täglich Putins Krieg in der Ukraine. Allein für Erdgas werden pro Tag knapp 700 Millionen nach Moskau überwiesen, so der Deutschlandfunk.
Deutschland ist bei fossilen Energieträgern stark abhängig von Russland. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums liegt der Anteil russischer Importe an den fossilen Gasimporten nach Deutschland bei rund 55 Prozent, bei Kohle bei etwa 50 Prozent und bei Rohöleinfuhren bei rund 35 Prozent. In der gesamten EU kommen 40 Prozent des importierten Gases aus Russland. Die wichtigsten Fragen rund um die Abhängigkeit von Russlands Energieträgern klärte kürzlich der Deutschlandfunk – etwa warum derzeit die Preise so stark steigen und was ein Importstopp bedeuten könnte.
Wäre ein Stopp der russischen Energieimporte überhaupt machbar? Aus Sicht von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wäre ein kurzfristiger Lieferstopp von russischem Gas durchaus handhabbar. „Engpässe könnten sich im kommenden Winter ergeben“, heißt es in einer Stellungnahme der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina in Halle. Es bestünde jedoch die Möglichkeit, durch die unmittelbare Umsetzung eines Maßnahmenpakets die negativen Auswirkungen zu begrenzen und soziale Folgen abzufedern.
Laut einer aktuellen Studie würde das deutsche Bruttoinlandsprodukt bei einem kompletten fossilen Lieferstopp aus Russland durch fehlenden Brennstoff um 0,5 bis 3 Prozent schrumpfen. Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen seien allerdings „zu verkraften“. Der Rückgang, so die Autoren, wäre kleiner als in der Coronakrise 2020.
Auch das Wirtschaftsmagazin Capital hat sich mit der Frage beschäftigt, wie kurzfristig Europa auf russische Energielieferungen verzichten könnte. Für russische Kohle etwa würde demnach gut Ersatz zu finden sein. „Die USA und Australien können zusammen 70 Prozent der von der EU importierten russischen Kohle ersetzen“, so Brian Ricketts, Generalsekretär von Euracoal, einer Lobbygruppe der europäischen Kohleindustrie.
In Sachen Öl wird es dann schon schwieriger. Die ersten Länder fordern bereits ein Comeback eines anderen „Ölriesen“: Iran. Hierfür müsste jedoch ein Abkommen im anhaltenden Atomstreit geschlossen werden. Bislang verhindern US-Sanktionen den Export von iranischem Öl. Das Handelsblatt schätzt, dass eine Rückkehr des Iran auf den Ölmarkt eine weitere Million Barrel pro Tag bringen könnte.
Eine weitere Alternative zu den russischen Lieferungen könnte Flüssiggas aus den USA sein – oder die Wiederbelebung der Kohle, die etwa der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger fordert. Beide Technologien sind allerdings aufgrund ihrer Folgen für die Umwelt umstritten.
Auch die Debatte um die Laufzeitverlängerung der Atomkraft ist mal wieder zurück. Ein Redakteur der Süddeutschen Zeitung sieht darin allerdings nichts Gutes: „Längere Laufzeiten würden keines der Probleme lösen, die sich für den nächsten Winter anbahnen. Sondern reihenweise neue schaffen.“ Er verweist unter anderem auf die Beschaffung der für den Betrieb notwendigen Brennstoffe. Experten, so die SZ, veranschlagen die Lieferzeiten auf anderthalb Jahre und mehr. Engpässe würden auch bei den Behältern für den Transport drohen.