Mit einem 130-Milliarden-Euro-Paket will die große Koalition der angeschlagenen Wirtschaft in der Corona-Krise auf die Beine helfen. Profitieren sollen unter anderem Familien, Kommunen und Arbeitgeber. Ein wichtiger Bestandteil ist die Senkung der Mehrwertsteuer. Auch Familien bekommen mehr Geld: Geplant ist ein einmaliger Bonus von 300 Euro pro Kind. Für Erweiterungen, Um- oder Neubauten von Kitas und Krippen soll es eine Milliarde Euro zusätzlich geben.
Zwar können die 300 Euro für manche Familie ein wichtiger finanzieller Zuschuss sein, allerdings ändern sie nichts am Grundproblem der letzten Monate, so die Kommentatorin von Spiegel Online: „Dass nämlich etliche Schulen und Kitas nicht im Normalbetrieb laufen. Dass das noch Monate so weiter gehen kann. Dass diese Situation, nach allem was man weiß, nicht nur für Kinder, sondern auch für Frauen fatale, teure, langfristige Folgen haben kann. Und dass die Betroffenen sich damit ziemlich allein gelassen fühlen.“
Viele Eltern ärgern sich darüber, dass viele Kitas und Kindergärten seit drei Monaten nur eine Notbetreuung anbieten, manchmal nur ein paar Stunden am Tag, während viele Unternehmen schon längst wieder öffnen durften und mit Milliardensummen gestützt werden. Was wäre eine Alternative zu den 300 Euro gewesen? Um junge Eltern besser unterstützen, forderten etwa Wirtschaftswissenschaftler des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ein Corona-Elterngeld, das es beiden Eltern ermöglichen soll, ihre Arbeitszeit temporär zu reduzieren und dafür eine finanzielle Kompensation zu erhalten. Dieses Spezial-Elterngeld sei auch an die Bedingung zu knüpfen, dass beide Eltern die Arbeitszeit reduzieren und somit nicht der komplette Anpassungsdruck auf den Müttern liegt. Der Vorschlag wurde von der Politik nicht aufgegriffen.
Es wurde in der Corona-Krise noch einmal sichtbar, aber klar ist schon lange: Deutschland hat ein Betreuungsproblem. Zu wenig Kitaplätze vor allem in den großen Städten, zu wenig Personal in den Einrichtungen vor Ort. Woran liegt das? Auch daran, dass die Politik jahrelang versäumt hat den Beruf des Erziehers aufzuwerten. Der ist mehr als „Basteltante“ – er ist anstrengend, gesellschaftlich nicht besonders anerkannt und zudem schlecht bezahlt. Dazu kommt: Für die Ausbildung gibt es kein Geld, erst im letzten Jahr gibt es ein schmales Gehalt, wie ein männlicher Erzieher – übrigens einer der wenigen – berichtet.
Manche, wie diese auszubildende Erzieherin, die Panorama 3 vorstellt, müssen nebenbei jobben, um ihren Lebensunterhalt zu stemmen. Andere nehmen sogar Kredite auf, um die Ausbildung finanzieren zu können.
Deutsche Kita-Fachkräfte fühlen sich in der Gesellschaft wenig wertgeschätzt und schlecht bezahlt, so eine Studie der OECD aus 2018. Nur 26 Prozent der Befragten sind mit ihrem Gehalt zufrieden, 36 Prozent fühlen sich überhaupt wertgeschätzt. Im Vergleich mit den anderen acht untersuchten Ländern – Chile, Dänemark, Island, Israel, Japan, Korea, Norwegen und der Türkei – schneidet Deutschland unterdurchschnittlich ab.
Besonders in der Corona-Krise fühlen sich viele Erzieherinnen und Erzieher aufgerieben zwischen den Ansprüchen der Eltern und der Politik und ihren eigenen Ängsten. Viele von ihnen gehören selbst zur Risikogruppe – Kontaktbeschränkungen lassen sich allerdings mit Kleinkindern kaum realisieren. Erzieher können nicht hinter Plastikfolien oder mit dauerhaftem Mundschutz arbeiten. Eine Kindergärtnerin aus Neuwied berichtet von ihrer Arbeit in Zeiten von Corona – sie hat sich auch von der Politik im Stich gelassen gefühlt: „Es gab in Teilen hochtrabende Fachinformationen, aber das Wesentliche wurde da nicht beachtet, nämlich das Kind, der Mensch, das dann genau in dem Moment unsere, meine, Hilfe braucht. Da muss seitens der Verantwortlichen – und damit meine ich Politik und Aufgabenträger – mehr kommen.“
Zwar können die Erzieherinnen sich im persönlichen Umgang nicht wirklich schützen, aber es gäbe durchaus Möglichkeiten für Verbesserungen. Dazu gehören etwa regelmäßig angesetzte Corona-Tests für Mitarbeiter und Kinder. „Da fallen auch Wörter wie Kanonenfutter“, beschreibt Janetta Bettenworth, einer Erzieherin aus NRW, die Stimmung ihres Teams. „Die Kinder kommen alle wieder und dann gucken wir mal, was passiert.“