Trotz immer neuer Höchststände bei den Neuinfektionen in Deutschland sollen nach dem Willen der Bundesregierung an diesem Samstag (19. März 2022) die meisten Corona-Regeln auslaufen. Mit einem neuen Rechtsrahmen sollen ab dann nur noch wenige allgemeine Vorgaben zu Masken und Tests in Einrichtungen für gefährdete Gruppen bestehen bleiben. Der NDR hat eine Übersicht erstellt, was dann gilt.
Strengere Regeln in regionalen „Hotspots“ können die Länder laut Gesetz umsetzen, wenn etwa in einer bestimmten Region ein besonders hohes Infektionsgeschehen herrscht und eine Überlastung der Gesundheitsversorgung droht. Das ist vielen Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten nicht genug. Der Vorschlag der Bundesregierung sei „das exakte Gegenteil“ von dem, was sich die Bundesländer gewünscht hätten, kritisiert etwa der CDU-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst. Das aktuelle Konzept ist aus seiner Sicht nicht umzusetzen. Die Kritik sei „länderübergreifend und sehr deutlich“ gewesen. Die Verantwortung liege nun beim Bund, dass den Ländern der sogenannte „Basisschutz“ genommen wurde.
Das Handelsblatt kritisiert den Vorstoß der Ampel-Regierung ebenfalls und sieht das neue Gesetz als „Tiefpunkt“ der Corona-Politik: „Den Ampelparteien fehlt ein klarer, gemeinsamer Kurs. Stattdessen verliert sich die Koalition irgendwo zwischen liberalen Freedom-Day-Träumen und Lauterbach‘scher Vorsicht.“
Der Tagesspiegel beschäftigt sich mit der Frage, warum Neu-Gesundheitsminister Karl Lauterbach das alles mitmacht. Die Antwort: Es sei die Folge eines verlorenen Machtkampfes mit der FDP und speziell mit deren Justizminister Marco Buschmann, der schon länger auf weniger strenge Maßnahmen pocht.
Auch der Spiegel hat ähnliches beobachtet: Wenn es um Corona gehe, werde offenbar gemacht, was die Liberalen wollen. Ein Grund sei, dass die FDP am stärksten unter Druck stehe, ihren Wählerinnen und Wählern zu beweisen, dass sie sich in der Zusammenarbeit mit den beiden Mitte-links-Parteien nicht verbiegen lassen.
Unverständnis zeigt auch die Wissenschaft für die geplanten Lockerungen – vor allem im Bereich der Maskenpflicht. Die soll künftig nur noch eingeschränkt gelten, unter anderem in Krankenhäusern und in Altenheimen. Dabei ist das Tragen einer Maske immer noch ein sehr effizientes Instrument, um die Verbreitung des Corona-Virus einzudämmen, so eine Studie des Göttinger Max-Plank-Instituts aus dem Dezember: Tragen beide Personen gut sitzende FFP2-Masken, beträgt das maximale Ansteckungsrisiko selbst auf kürzeste Distanz kaum mehr als ein Promille. Tragen beide keine Maske bei einem Abstand von 3 Metern, werde sich der gesunde Mensch dagegen mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 Prozent anstecken, so die Forschenden.
Laut ARD-Deutschlandtrend halten es 61 Prozent der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger für falsch, zum jetzigen Zeitpunkt die Maskenpflicht aufzuheben, ein gutes Drittel (36 Prozent) findet es richtig.
Auch die Debatte über die Impfpflicht läuft weiter. Der Bundestag will final Anfang April darüber abstimmen, ob sie in Deutschland eingeführt wird. Eine Mehrheit dafür ist momentan aber nicht in Sicht. Neben dem Antrag für die allgemeine Impfpflicht ab 18 liegen dem Parlament derzeit auch Anträge für eine Beratungspflicht und Impfpflicht ab 50 Jahren sowie ein Antrag gegen eine Impfpflicht vor. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung stellt diese Anträge im Detail vor.
Im Moment mag das Problem mit der Impfung nicht so groß erscheinen, Virologinnen und Virologen warnen allerdings davor, dass uns eine neue Welle im Herbst mit vielen Ungeschützten hart erwischen könnte. Vor allem ältere Menschen gelten immer noch als besonders anfällig für einen schweren Covid-Verlauf. In Deutschland sind aktuell immer noch rund 11 Prozent der über 60-Jährigen nicht geimpft, da sind etwa drei Millionen Menschen.