Vergangene Woche wurde das „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ unter Leitung von Bauministerin Klara Geywitz gestartet. Die SPD-Politikerin hat einen klaren Auftrag: 400.000 neue Wohnungen, davon 100.000 öffentlich geförderte, sollen laut Ampel-Planungen jedes Jahr in Deutschland entstehen. Bis Herbst 2022 werde die Allianz dann, laut eigener Aussage, Vorschläge für ein Maßnahmenpaket erarbeiten. Dieses soll bei einem Bündnis-Tag vorgestellt und verabschiedet werden.
Auch Sören Bartol, parlamentarischer Staatssekretär im Bauministerium, unterstreicht die Dringlichkeit des Themas: „Bezahlbares Wohnen ist für viele Menschen eines der Hauptthemen und wir müssen da auch liefern.“ Skeptisch ist hingegen der Verband Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW): Am Wohnungsmarkt habe sich gerade der „perfekte Sturm“ gebildet, so der Präsident Axel Gedaschko. Das hänge unter anderem auch noch mit den Lieferschwierigkeiten aus der Corona-Zeit zusammen. Er zweifelt daran, dass das Ziel der 400.000 Wohnungen realistisch ist.
Immerhin gibt es für diese Mammutaufgabe nun wieder ein eigenes Ministerium: Das Bauministerium wurde ursprünglich im Jahr 1998 vom damaligen Kanzler Gerhard Schröder (SPD) abgeschafft – und nun wieder eingeführt. Der Apparat für das neue Ministerium muss jedoch erst noch aufgebaut werden. Das Handelsblatt berichtet von brisanten Details: So mangele es unter anderem an Kugelschreibern. Momentan leihe das Innenministerium dem neuen Bauministerium noch Sachmittel und IT. Geywitz schreibe dafür quasi an und begleicht die „Schulden“ dann am Jahresende.
Eines der Probleme beim Bau neuer Wohnungen ist neben Fachkräftemangel auch die Rohstoffknappheit. Verstärkt wurde das Problem nicht nur durch die Pandemie, sondern jetzt auch noch durch den Krieg in der Ukraine. Dachziegel seien dabei nur einer von zahlreichen Baustoffen, die hierzulande knapp werden. Auch Stahl, Erdölprodukte, Aluminium und Holz seien entweder gar nicht mehr oder nur noch schwierig, teuer oder in geringer Menge zu bekommen.
Davon betroffen sind große Teile der Baubranche. Laut des Hauptverbands der deutschen Bauindustrie bezieht jedes dritte Unternehmen Baumaterial aus Russland und der Ukraine. „Im vergangenen Jahr lag der Anteil der Länder Russland, Ukraine und Belarus bei Importen von sogenannten Langerzeugnissen, zu denen der auf dem Bau benötigte Betonstahl gehört, in die EU nach Angaben der Händler bei 40 Prozent“, schreibt Zeit Online.
Um eines Tages doch noch auf 400.000 Wohnungen im Jahr zu kommen, könnte auch ein Vorkaufsrecht für Kommunen eine Lösung sein. Dieses will Klara Geywitz nun durchsetzen. Städte sollen so Mieterinnen und Mieter durch den Kauf von Häusern vor Verdrängung schützen können. Beim jetzigen Wohnungsmangel sei es nicht zu verantworten, dass die Grundstücke ungenutzt liegen blieben oder darauf leerstehende Schrottimmobilien stünden, sagt auch der Deutsche Städtetag und unterstützt die Forderung.
Die Bauministerin fordert zudem, den Bau von Einfamilienhäusern einzudämmen. Geywitz verweist darauf, dass seit den 1950er Jahren hierzulande Hunderttausende Einfamilienhäuser gebaut wurden. Jedoch lebten in denen meist keine Familien mehr, sondern ein oder zwei Senioren. Sie sagt: „Wir brauchen einen anderen Nutzungszyklus. Gut wäre, wenn die nächste Generation von jungen Familien alte Häuser erwirbt und saniert. Dafür müssen wir staatliche Anreize setzen. Dann kann man beides vereinbaren: Fläche sparen und den Wunsch vom eigenen Haus ermöglichen.“
Das eigene Haus bleibt in Deutschland selbst für viele Doppelverdiener ein Traum. Eins der Probleme: Ohne Erbschaft, Schenkung oder Privatkredit „hätten viele heutige Eigentümer den Sprung in die eigenen vier Wände nicht geschafft“, beschreibt das Kredit-Vergleichsportal Interhyp. 23 Prozent der Immobilienkäufer in Deutschland gaben in einer Umfrage an, dass sie ihre Immobilie ohne Erbe gar nicht hätten kaufen können.