Die GDL – die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer - und die Deutsche Bahn konnten sich trotz monatelanger Tarifauseinandersetzung bisher nicht auf einen Abschluss verständigen. Die Gewerkschaft will höhere Einkommen wie im öffentlichen Dienst und kämpft gegen Änderungen am Betriebsrentensystem der Bahn. Sie will nicht nur Lokführerinnen und Zugbegleiter vertreten, sondern auch Rahmentarifverträge für Beschäftigte in den Werkstätten und in der Infrastruktur sowie für Auszubildende abschließen. Die Lokführergewerkschaft hatte bis Dienstagfrüh rund fünf Tage lang große Teile des Zugverkehrs lahmgelegt. Es war ihr dritter Streik in der laufenden Tarifrunde.
Die Deutschen haben mehrheitlich kein Verständnis für die jüngsten Streiks bei der Bahn, wie 53 Prozent der Befragten in einer Yougov-Umfrage für die Deutsche Presse-Agentur angaben. 36 Prozent hingegen haben Verständnis für die Aktion.
Der GDL und ihrem Chef Claus Weselsky geht es um mehr als den reinen Streit ums Geld: Dahinter stecke, so der Stern, ein gewerkschaftsinterner Machtkampf im Bahnkonzern, der bereits seit Jahren schwele. Darin ist die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer nämlich eigentlich nur die kleinere Arbeitnehmervertretung neben der konkurrierenden Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Weselskys „strategisches Ziel ist es – so die allgemeine Interpretation –, der EVG Mitglieder abzujagen, um mehr Einfluss innerhalb des Konzerns zu gewinnen“.
Aber die Politik hat Mitschuld an der jetzigen Situation. 2015 wurde das so genannte Tarifeinheitsgesetz eingeführt, um die Macht kleiner Gewerkschaften zu begrenzen. Dessen Grundprinzip: ein Betrieb, ein Tarifvertrag. Maßgeblich für alle sind dann die Verhandlungsergebnisse der mitgliederstärksten Gewerkschaft eines Betriebes. Doch dieser Gedanke scheint nun nach hinten loszugehen, kommentiert eine Journalistin vom SR und zeigt Verständnis für den Kampf der GDL: Gerade wegen des Tarifeinheitsgesetzes muss eine kleinere Gewerkschaft wie die GDL „umso verbissener darum kämpfen, größer zu werden“.
Auch im Deutschlandfunk macht man sich Gedanken um die Nebenwirkungen des Tarifeinheitsgesetzes. Im „Politik-Podcast“ diskutieren zwei Journalisten und eine Journalistin über das Vorgehen Claus Weselskys und dessen Auswirkungen. Die Zeit porträtiert den Streikführer Weselsky: „Er ist authentisch bis ins Mark, aber auch ein großer Schauspieler. Er ist sowieso ein Mann der Widersprüche. Ein Gewerkschafter im Kampf gegen die »da oben«, der zugleich Mitglied der CDU ist; ein Konservativer, wie er selbst sagt. Für die einen ist er der Kerl, der niemals klein beigibt, der sich nicht von den Bossen einschüchtern lässt, der noch alles versucht, wenn nicht wenige schon aufgeben. Für die anderen? Ein unerbittlicher Egoist, der aus Machtgier und Profilierungswut die Republik anhält und so Millionenschäden verursacht.“
Die Bahn hatte bis zum Ende des Streiks 9000 Leihräder für 30 Minuten kostenlos angeboten. Das galt bundesweit in etwa 80 Städten und Regionen. Mit der Fahrradaktion wollte sie unter anderem Pendlerinnen und Pendler ansprechen, die damit den Weg zur Arbeit bestreiten. Ob das geholfen hat, ist umstritten.
Die Vorstände der Deutschen Bahn – hier also die Gegenspieler Weselskys – haben für sein Vorgehen wenig übrig. Die Bahn muss sich aber selbst den Vorwurf gefallen lassen, dass sie in den letzten Jahren mehr als schlecht gewirtschaftet hat. Ende 2020 beliefen sich die Schulden des Staatskonzerns auf rund 30 Milliarden Euro. Der Spiegel notiert zudem, dass die Deutsche Bahn ein hoch verschuldeter Konzern mit einer teuren, ineffizienten Führung sei: „Sie ist verantwortlich für ein Schienennetz, das einen pünktlichen Betrieb nicht sicherstellen kann. Und in dieser maroden Verfassung ist der Konzern nicht mal ansatzweise in der Lage, seine zentrale Rolle bei der Rettung des Klimas auszufüllen.“