Wie viele andere Branchen hat auch die Automobilindustrie derzeit mit großen Problemen aufgrund von Corona zu kämpfen. Denn: Wer Kurzarbeit beantragt und um seinen Job fürchtet, kauft sich kein neues Auto. Um die Nachfrage wieder anzukurbeln, wollen die Konzerne Unterstützung vom Staat. Am liebsten in Form von so genannten Kaufprämien, also Zuschüssen für den Erwerb von Neuwagen und jungen Gebrauchten. Das alles wurde am vergangenen Dienstag beim „Autogipfel“ mit Angela Merkel und Vertreterinnen und Vertretern der Autoindustrie besprochen. Endgültige Beschlüsse gibt es wohl erst Anfang Juni. Hildegard Müller ist die oberste Autolobbyistin im Land – wie sie für die Prämien argumentiert, zeigte sie am Sonntag bei Anne Will.
Im Vorfeld hatten die Vertreter der Automobilindustrie viel Druck auf die Politik gemacht. Die Kaufprämien werden wohl kommen – die Frage ist nur, wie sie aussehen werden. Zeit Online findet das Vorhaben sozial ungerecht: „Auch abzüglich der Prämie ist ein neues Auto noch so teuer, dass es sich nur leisten kann, wer gut verdient und nicht in Kurzarbeit ist. Die Regierung würde ein fatales Signal geben: Sie ist bereit, Wohlhabenden ein paar Tausend Euro zu zahlen, wenn sie sich ein neues Auto kaufen, um Konzerne zu stützen, die Milliarden an größtenteils wohlhabende Aktionäre ausschütten.“
Auch unter Ökonomen ist die Prämie sehr umstritten. Schon im Jahr 2009 gab es eine ähnliche Abwrackprämie und die hat aus verschiedenen Gründen eine verheerende Bilanz. Sie war teuer, hat der Autoindustrie wenig gebracht und hatte kaum Nutzen für Klima und Umwelt, erklärt die Wirtschaftswoche. Außerdem waren es im Jahr 2009 vor allem ausländische Autobauer, die von den Milliarden Euro aus dem deutschen Steuersäckel profitierten, denn die Prämie war vor allem für Käufer von Kleinwagen attraktiv. Die Ökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) nannte in der Augsburger Allgemeinen eine Kaufprämie für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor einen sozial ungerechten, ökologischen und ökonomischen Unsinn.
Die Autokonzerne fordern viel Geld vom Staat – gleichzeitig wollen Volkswagen, Daimler und BMW ihre Anteilseigner mit insgesamt 5,8 Milliarden Euro Dividende am finanziell erfolgreichen Jahr 2019 beteiligen. Wie passt das zusammen? Für die Opposition gar nicht: Der Haushaltspolitiker der Linken, Victor Perli, sagt etwa: „Auf der einen Seite Staatshilfen zu beanspruchen und auf der anderen Seite Milliarden auszuschütten, ist ein absolutes No-Go.“
Kritik gibt es momentan auch daran, dass manch deutsches Unternehmen Staatshilfe in Anspruch nehmen will, seine Gewinne aber zum Teil in Steueroasen verschiebt. Alle 30 Dax-Unternehmen haben nach wie vor Beteiligungen und Tochterunternehmen in Steueroasen, das hat diese Woche ein Bericht des ARD-Magazins Monitor gezeigt. Die Lufthansa etwa, die mit dem Bund gerade über staatliche Beteiligungen verhandelt, hat Tochtergesellschaften in Panama oder auf den Kaimaninseln. Der Konzern antwortet darauf: Das Unternehmen gründe „Gesellschaften dort, wo dies auf operativen Gründen geboten ist“ – man beachte dabei die nationalen und internationalen Steuervorschriften.
Lobbycontrol kritisiert, dass solche Unternehmen sich so der Finanzierung desjenigen Gemeinwesens entziehen, von dessen Hilfen sie nun profitieren wollen, und verweisen auf das Beispiel Dänemark. Wer dort Staatshilfen erhält, muss sich im Gegenzug ebenfalls solidarisch zeigen. Das heißt: Wer Gewinne in Steueroasen verschiebt, erhält nichts.
Einen konkreten Ansatz für mehr Steuergerechtigkeit böte eine EU-Vorschrift, die Unternehmen ab 750 Millionen Euro Jahresumsatz verpflichtet, bestimmte Geldflüsse dem Fiskus offenzulegen. Deutschland und speziell die Union wollen diese Transparenz aber anscheinend nicht. Die Regierung beschütze so die Steuertrickser, schreibt die Süddeutsche Zeitung.