Für tausende Kinder beginnt jedes Jahr mit der ersten Klasse „der Ernst des Lebens“. In der Grundschule lernen sie neben Rechnen, Lesen und Schreiben auch viele soziale Fähigkeiten. Deshalb ist es wichtig, dass genügend gut ausgebildete Lehrkräfte vorhanden sind. Umso erschreckender sind die Zahlen, die die Bertelsmann-Stiftung nun veröffentlicht hat. Während die Kultusminister der Länder bisher davon ausgegangen sind, dass bis 2025 etwa 15.300 Grundschullehrer fehlen, gehen die Forscher von Bertelsmann sogar von 26.300 aus.
Doch wie kommt es zu einem so gravierenden Rechenfehler? Der Deutschlandfunk hat mit dem Generalsekretär der Kultusministerkonferenz, Udo Michallik, über den Missstand gesprochen. Grund für die unterschiedlichen Prognosen sei, dass die Bertelsmann-Stiftung einen neueren Datensatz des statistischen Bundesamtes verwendet habe. Für Michallik steht nun aber ohnehin rasches Handeln im Mittelpunkt. Entscheidend sei, dass die Kultusminister „auch anhand alter Statistiken oder anderer Prognosen in den letzten zwei, drei Jahren ja wissen, dass wir in dem Bereich vor massiven Herausforderungen stehen. Insofern ist das nichts Neues, sondern hier haben sich die Länder auf den Weg gemacht mit Seiteneinsteigerprogrammen, mit Reaktivierung von Pensionären und mit der Steigerung der Zahl der Lehramtsstudierenden“.
Dabei ist der Lehrermangel kein Problem der Zukunft. Bereits heute fehlt laut Lehrerverband an fast jeder zweiten Schule eine Lehrkraft. Die Zeit hat mit Hendrik Stoye, dem Rektor einer Grundschule in Sachsen-Anhalt, gesprochen. Zeitweise kümmert er sich mit nur zwei Lehrern um 105 Grundschüler. Ihn verärgert das Missmanagement der Politik. „In Sachsen-Anhalt hat der SPD-Finanzminister Jens Bullerjahn zwischen 2006 und 2016 Stellen an Schulen gekürzt. Statt in die Zukunft unserer Kinder zu investieren, hat der den wachsenden Bedarf an Lehrkräften ignoriert. Ich verstehe auch nicht, warum es für die Kultusminister schiwerig sein soll, die Geburtenzahlen auszuwerten. Als Schulleiter besorge ich mir Zahlen ja auch frühzeitig, um zu planen.“
Um einigermaßen über die Runden zu kommen, setzt Stoye in seiner Grundschule auf Quereinsteiger. Das sind zum Beispiel Akademiker, die sich bisher auf einen Job in einem Büro oder einem Labor vorbereitet haben und nun vor einer Schulklasse stehen und diese unterrichten sollen. Laut Kultusministerkonferenz waren in Vergangenen Jahr bereits 13 Prozent der Einstellungen im öffentlichen Schuldienst Quereinsteiger. Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft GEW zeigt, welche Voraussetzungen Quereinsteiger mitbringen müssen und welche berufliche Perspektive ihnen geboten wird.
Doch was bedeutet es in der Praxis, ohne pädagogische Ausbildung vor einer Schulklasse zu stehen? Das Magazin Frontal 21 hat Quereinsteiger getroffen und mit ihnen über den Arbeitsalltag gesprochen. Das Ergebnis: Viele bekommen kaum Unterstützung und es fehlt an Weiterbildungsmöglichkeiten. Zudem werden sie oft trotz gleicher Arbeit schlechter bezahlt.
Wie kann es gelingen, die Grundschulen zu stärken? In der Sendung „Campus und Karriere“ vom Deutschlandfunk ging es um diese Frage. Ein Bildungshistoriker, eine Schulleiterin und die Vorsitzende des Interessenverbandes Berliner Schulleitungen diskutieren über die Rolle der Politik, welchen Beitrag die Hochschulen am Lehrermangel haben und was in manchen Schulen besser läuft als in anderen.