Ist es eine Beleidigung oder eine sachbezogene Kritik, jemand „Drecksfotze“ zu nennen? Über diese Frage, deren Antwort eigentlich eindeutig scheint, diskutiert ganz Deutschland. Der Hintergrund ist ein Urteil des Landgerichts Berlin. Die Grünen-Politikerin Renate Künast wollte zivilrechtlich gegen Nutzer vorgehen, die sie online als „Stück Scheiße“ oder eben „Drecksfotze“ bezeichneten. Vergeblich, denn die Richter entschieden, es handle sich in diesem Fall nicht um Beleidigung, sondern um erlaubte Meinungsäußerungen. Wie das Gericht diese Entscheidung begründet und welchen Hintergrund die Debatte hat, beleuchtet ein Beitrag von Heute +.
Das Urteil sorgt für viel Kritik. Viele sehen darin einen Freibrief für Beleidigungen im Netz. „Was ist denn, um Himmels Willen, in Zukunft überhaupt noch eine rechtswirksame Beleidigung?“ fragt die ehemalige Oberbürgermeisterin von Kiel, Susanne Gaschke, in ihrem Kommentar in der Welt. Sie befürchtet, dass das Urteil den Eindruck erwecken könne, man müsse „ziemlich lebensmüde sein, wenn man in politische Ämter strebt“.
Gaschke spricht einen wichtigen Punkt an. Bereits heute sind Lokalpolitiker und Bürgermeister besonders betroffen von Anfeindungen und Hetze. Laut einer Umfrage der Zeitschrift Kommunal gab es in 40 Prozent der Kommunen bereits Hassmails, Einschüchterungsversuche oder andere Übergriffe gegen Mandatsträger oder deren Mitarbeiter. Der NDR hat in einer Dokumentation Lokalpolitiker getroffen, die mit teils heftigen Anfeindungen leben müssen. Die Autoren gehen auch der Frage nach, warum Politiker oft nicht den Schutz bekommen, den sie sich wünschen und wie die AfD den Hass verstärkt.
Was ist eine etwas deftiger formulierte, aber durch die Meinungsfreiheit gedeckte Kritik und was ist eine Beleidigung? Diese Entscheidung müssen Richter treffen, die per Definition objektiv urteilen sollen. Doch geht das überhaupt in einer derart polarisierten Gesellschaft? Diese Frage hat die Zeitschrift Cicero mit dem Präsidenten des Amtsgerichts Lübeck, Carsten Löbbert, diskutiert.
Zu was ungebremster Hass führen kann, haben wir am 2. Juni erlebt. An diesem Abend wurde der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke von einem mutmaßlich Rechtsextremen erschossen. Nun greift natürlich nicht jeder, der auf YouTube, Facebook und Co. Beleidigungen postet, irgendwann zur Waffe. Dennoch kann dieser Hass nicht einfach hingenommen werden. Deshalb hat Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) nun angekündigt, Plattformen dazu zu zwingen, Nutzer an die Behörden zu melden, die Morddrohungen posten oder Volksverhetzung betreiben. Das Politmagazin Bericht aus Berlin hat mit Lambrecht über ihre Pläne gesprochen.