Ein Film von Johannes Nichelmann und Stefan Koldehoff
Sechs Wochen vor seinem Tod porträtierte Vincent van Gogh 1890 in Auvers-sur-Oise bei Paris seinen Nervenarzt Paul Ferdinand Gachet, den er für mindestens “ebenso krank” hielt wie sich selbst. Das schreibt er in einem Brief an seinen Bruder. Van Gogh hat mit dem seit fast 35 Jahren verschollenen Portrait ein Meisterwerk geschaffen. Der Ausdruck von Weltschmerz und Melancholie macht das Gemälde zu einer Ikone der Kunstgeschichte.
Was ist mit dem berühmten Werk geschehen?
Anfang des 20.Jahrhunderts fand das Bildnis des Dr. Gachet seinen Weg nach Deutschland und wurde Teil der Sammlung des Städel Museums in Frankfurt am Main. Es war das erste öffentliche Museum weltweit, das ein Van Gogh-Gemälde erwarb. Doch die nationalsozialistische "Aktion Entartete Kunst" führte zur Beschlagnahmung des Bildes und Hermann Göring liess das Bild verkaufen. Fast auf den Tag 100 Jahre nach seiner Entstehung, wurde das Portrait in New York 1990 als damals teuerstes Gemälde für 82 Millionen Dollar versteigert, bevor es in einer privaten Sammlung vor den Augen der Öffentlichkeit verschwand. Wo ist es geblieben? Die, die es wissen, wollen nicht darüber reden.
Verschwunden in privaten Händen
Der New Yorker Kunsthändler David Nash sagt: "Das Bild wurde für den Kunstmarkt geschaffen. Irgendwann landen solche Werke wieder in Museen, aber bis dahin verschwinden sie oft in privaten Händen." Auch die Kunsthistorikerin Cynthia Saltzman, deren jahrzehntelange Recherche tief in die Geschichte des Bildes eintauchen lassen, ist überzeugt, dass das Gemälde eines Tages wieder auftauchen wird: "Es wird wieder zu sehen sein. Ich bin davon überzeugt, aber vielleicht nicht zu meinen Lebzeiten”.
Eine heiß geliebte Kopie
Die Dokumentation “Der verschwundene Van Gogh” geht nun Hinweisen auf den Verbleib des Bildes nach und zeigt dabei nicht nur die Auswüchse des weltweiten Kunsthandels, sondern beleuchtet auch die emotionalen Bindungen, die Menschen zu diesem Werk aufgebaut haben. So wie die Ex-Polizistin Rolanda Ricardez, die in Kalifornien lebt und eine Kopie des Bildes besitzt. Sie sagt: „In meinem Herzen wird es immer das Original sein. Mein Van Gogh.“ Ihre Geschichte zeigt, wie stark dieses besondere Kunstwerk das Leben von Menschen bis heute prägt.
Spuren führen an einen Schweizer See
Zeitgenössische Künstler wie der Maler Norbert Bisky fühlen sich durch das "Bildnis des Doktor Gachet“ noch immer inspiriert und verweisen auf die zeitlose Faszination von Van Goghs Werk: "Ich suche immer nach Posen, die eine innere Bewegung widerspiegeln – das ist nicht einfach zu finden.“ Die Dokumentation führt von Vincent van Goghs letzter Lebensstation in Auvers-sur-Oise über die Auktionshäuser New Yorks in die Kunstwelt von Paris und Frankfurt bis an einen Schweizer See und erzählt eine Geschichte von Kunst, Macht und Besitz, die bis heute nicht abgeschlossen ist.
Zeitgleich zur TV-Dokumentation entstand bei unserem Kooperationspartner Deutschlandfunk ein Radiofeature des Autorenteams Nichelmann/Koldehoff mit dem Titel: "Van Gogh, Vermeer, Raffael - Auf der Suche nach verschollenen Meisterwerken“, welches am 29.11.2024 um 20.05 Uhr im DLF gesendet wird.