Zu provozieren, Tabus zu brechen, gesellschaftliche Schranken zu ignorieren: wer Grenzen überschreitet, geht Risiken ein. Die Protagonistinnen und Protagonisten der vier Romane, um die es in dieser Buchzeit geht, erfahren das mit höchst unterschiedlichem Ausgang. Die Literaturexpertinnen Barbara Vinken, Sandra Kegel und Katrin Schumacher diskutieren mit Gert Scobel neue Literatur über das wagemutige Spiel mit Grenzen.
Die Buchempfehlungen der Sendung
Dreißig Jahre arbeitete Louise Kennedy aus Belfast als Köchin. Dann veröffentlichte sie einen Band mit Shortstorys, der von Kritik und Publikum gefeiert wurde. Übertretung ist ihr Romandebut. Cushla Lavery, eine katholische Grundschullehrerin, deren Familie ein Pub betreibt, verliebt sich in einen verheirateten Mann. Aber nicht nur das, er ist zudem Protestant. Das alles geschieht in Belfast im Jahr 1975, der Bürgerkrieg erlebt einen blutigen Höhepunkt.
Hund 51 heißt der neue Roman von Laurent Gaudé, eine dystopische Zukunftsvision. GoldTex ist ein Konzern, der kaputte Länder aufkauft. So auch Griechenland, das wegen der Hitzeentwicklung fast nicht mehr bewohnbar ist. So gelangt der Grieche Zem Sparak in die Megastadt von Goldtex, die in Zonen aufgeteilt ist. Reiche leben dort geschützt unter einer Kuppel, Arme in Zone drei unter saurem Regen. Als Polizist ermittelt Sparak in Sachen Organhandel und Mord, und überschreitet dabei manche Grenze.
Ivy Lyns Familie ist aus China nach Amerika eingewandert, und arbeitet sich langsam und mühevoll aus dem gesellschaftlichen Nichts heraus. Ivy begeistert sich früh für die Annehmlichkeiten des Reichtums, den sie bei Verwandten und den Eltern von Freunden erfährt. Im Kampf um gesellschaftliche Anerkennung und Aufstieg ist ihr so manches Mittel recht. Die kleinen Lügen der Ivy Lyn ist der Titel des Romandebuts von Susie Yang, die selbst in China geboren wurde und als Kind in die USA kam.
Lichtspiel heißt der neue Roman des Erfolgsautors Daniel Kehlmann. Sein Protagonist ist der gefeierte Filmregisseur G.W. Pabst, ein Star seiner Szene. Als die Nationalsozialisten die Macht ergreifen, dreht er in Frankreich und emigriert von dort nach Amerika. Aber niemand kennt ihn dort, er kann sich nicht verwirklichen. Als er nach Österreich zurückkehrt, heißt sein Land Ostmark. Pabst glaubt, es müsse möglich sein zu arbeiten und sich nicht zu verstricken, die eigenen moralischen Grenzen nicht zu überschreiten. Aber schon ruft der Propagandaminister nach ihm.