Schiedsgerichte: Große Firmen klagen gegen Umweltschutz
Abkommen für Investitionsschutz:Wie Firmen gegen Umweltschutz klagen
von Benno Krieger
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Durch Investitionsschutzabkommen können Firmen Länder, in denen sie investieren, vor Schiedsgerichten verklagen. In Umweltfragen nehmen millionenschwere Klagen gegen Staaten zu.
Große Konzerne gehen vermehrt juristisch gegen Klimaschutzgesetze vor, wenn ihr Gewinn darunter zu leiden droht.04.03.2024 | 7:39 min
Das Schweizer Unternehmen Glencore betreibt im Wüstengebiet "La Guajira" in Kolumbien die größte Steinkohlemine Lateinamerikas. Auch über zehn Prozent der Kohle in Deutschland kommt von dort.
Das kolumbianische Verfassungsgericht hat jedoch den Ausbau der Mine gestoppt. Glencore wird vorgeworfen, durch das Umleiten eines Flusses die Wasserknappheit zu verstärken und den Lebensraum der indigenen Bevölkerung zu zerstören.
Glencore verklagt Kolumbien dreimal dafür und fordert einen zweistelligen Millionenenbetrag, weil der Umsatz ausbleibe. Das Besondere: Glencore klagt nicht vor dem kolumbianischen Gericht, sondern vor dem nicht-staatlichen Schiedsgericht der Weltbank (ICSID). Vor dem ICSID, dem größten Schiedsgericht weltweit, hat Glencore bereits 2019 einen Rechtsstreit gegen Kolumbien gewonnen.
Nur Unternehmen können vor Schiedsgerichten klagen
Investitionsschutzabkommen ermöglichen es nur Unternehmen, das Gastgeberland vor einem nicht-staatlichen Schiedsgericht zu verklagen. Der Hamburger Rechtsanwalt Richard Happ arbeitet an solchen Schiedsverfahren und verteidigt die einseitige Klagemöglichkeit.
"Da es nur um Rechte des Investors geht, gibt es keinen Anlass, dem Staat ein Klagerecht einzuräumen", so Happ weiter.
Weltweit gibt es rund 3.000 Investitionsschutzabkommen. Dabei handelt sich häufig um eine bilaterale Vereinbarung zwischen einem Unternehmen und einem Land. Ziel dieser Abkommen ist es, die Bereitschaft von Unternehmen für Auslandsinvestitionen zu erhöhen, Investoren vor staatlicher Willkür zu schützen und gerade in Entwicklungs- und Schwellenländern die Wirtschaft anzukurbeln.
Für ein solches Schiedsgericht bestimmen Land und Unternehmen jeweils eine Person. Zusätzlich müssen sich die Parteien auf einen dritten Schiedsrichter, als Vorsitzenden einigen. Sofern das nicht gelingt, wird die dritte Person durch das Schiedsgericht, wie das ICSID bestimmt.
NGO: Großer Anreiz pro Unternehmen zu entscheiden
Fabian Flues von der NGO Powershift kritisiert diese Zusammensetzung. Er meint, die dritte Person habe einen Anreiz für Unternehmen zu entscheiden, um zukünftige Aufträge zu erhalten.
Rechtsanwalt Richard Happ dagegen sieht in der Klagemöglichkeit einen Rechtsschutz für Unternehmen, falls in einem Land ein neues Gesetz erlassen oder ein bestehendes annuliert wird.
Panamaisches Gericht annulliert Bergbauvertrag
Auf diesen Schutz pocht auch First Quantum. Das kanadische Unternehmen ist Hauptinvestor einer Kupfermine in Panama, deren Erträge rund fünf Prozent des panamaischen Bruttoinlandsprodukts ausmachen. Allerdings befindet sich die 12.000 Hektar große Mine in einem Schutzgebiet im Regenwald. Umweltschützer kritisieren Abholzung und Verschmutzung in der Region.
Ein neuer Vertrag mit First Quantum zum weiteren Kupferabbau löste im Herbst 2023 in Panama heftige Proteste aus. Kurze Zeit später wurde der Vertrag für verfassungswidrig erklärt, da das oberste panamaische Gericht durch den Ausbau der Mine große Umweltschäden und gesundheitliche Gefahren für die Bevölkerung befürchtet.
Im Oktober und November 2023 protestierten Tausende in Panama gegen die Kupfermine Cobre Panama.
First Quantum verklagte Panama darauf vor einem Schiedsgericht, weil es das mit dem Land geschlossene Investitionsschutzabkommen verletzt sieht. Das Verfahren läuft.
Vereinte Nationen: Über 1.300 Klagen vor Schiedsgerichten
Nach Angaben der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) gab es bis 2023 über 1.300 Klagen vor privaten Schiedsgerichten, knapp zwei Drittel davon gegen Entwicklungs- und Schwellenländer.
In mindestens 175 dieser Fälle geht es laut UN-Sonderberichterstatter David Boyd um Umweltmaßnahmen. "Die Zahl der Fälle ist exponentiell gestiegen", stellt er fest. Und:
Entscheidungen bei Schiedsgerichtsverfahren weltweit
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Als Grund für die hohen Klagesummen nennt Fabian Flues von der NGO Powershift, dass Schiedsgerichte bei der Berechnung der Entschädigung nicht nur bisherige Investitionen, sondern auch "hypothetische zukünftige Gewinne" der Unternehmen berücksichtigen.
Schiedsgerichtsklagen können Umweltschutz verhindern
Zum Erreichen weltweiter Ziele im Klima- und Umweltschutz ist es wichtig, Naturräume mit einer hohen Biodiversität zu schützen. Daher ist es gut möglich, dass gerade Länder des globalen Südens mit niedrigen Umweltstandards im Sinne des Naturschutzes neue Gesetze erlassen oder bestehende Verträge annullieren. Nur kann dies zu weiteren Schiedsgerichtsklagen führen.
Was bedeutet ein ausgetrockneter Regenwald für das Weltklima? Christoph Schenk, Geschäftsführer der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt im Gespräch.11.01.2024 | 4:42 min
Viele Länder des globalen Südens erhoffen sich durch Investitionsschutzabkommen mehr Wohlstand und Arbeitsplätze. Die Frage ist nur zu welchem Preis, wenn die Abkommen stärkeren Umweltschutz verhindern und hohe Strafzahlungen drohen.
Fabian Flues fordert daher, Schiedsgerichte aus Handelsverträgen auszuschließen: