Wie nah ist der Iran an der Atombombe?

    FAQ

    Auf dem Weg zur Atommacht:Wie nah ist der Iran an der Atombombe?

    von Oliver Klein und Jan Schneider
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    Experten sprechen von wenigen Monaten: Das Mullah-Regime steht wohl kurz davor, eine Atombombe zu entwickeln. Was heißt das für die Region? ZDFheute beantwortet wichtige Fragen.

    Archiv: Techniker arbeiten am Dienstag, 03.04.2007, im Kernkraftwerk Bushehr.
    Archiv: Techniker arbeiten im iranischen Kernkraftwerk Bushehr.
    Quelle: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

    Die Atomanlage Fordo liegt tief unter der Erde, streng bewacht, am Rande einer großen Salzwüste im Iran. Regelmäßig inspizieren internationale Inspektoren die Einrichtung, um sicherzustellen, dass der Iran keine Atombombe baut. Beim letzten Besuch im Februar stellten sie besorgniserregende Veränderungen fest.
    In den Hallen herrschte rege Aktivität: Neue Anlagen produzierten den Atombombenstoff schneller denn je, 23,5 Kilogramm bis zu 60 Prozent angereichertes Uran seien allein seit Oktober 2023 in den Zentrifugen hergestellt worden, heißt es im Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde.
    Die Angst vor einem Flächenbrand in der Region wächst, insbesondere nach dem Angriff des Iran auf Israel am Wochenende. Wie weit ist der Iran mit seinem Atomprogramm? Wie lange könnte es noch dauern, bis das Land eine Atombombe entwickelt hat? ZDFheute beantwortet die wichtigsten Fragen.
    Montage: Die Flagge des Iran auf einer Wand, rechts dazu das Zeichen für Radioaktivität. Als Schatten auf der Wand mehrere militärische Raketen.
    Die Frage, ob iranische Fundamentalisten die Hand an der Bombe haben, treibt die Welt um: Trotz massiver Sanktionen konnten sie über Jahrzehnte eine eigene Atomindustrie aufbauen.15.03.2023 | 44:40 min

    Wie weit fortgeschritten ist das iranische Atomprogramm?

    Irans Streben zur Atombombe begann vor mehr als 20 Jahren. Seit 2003 ist bekannt, dass die islamische Republik Uran anreichert. Das sogenannte Atomabkommen sollte die Bestrebungen ausbremsen - seit die USA dieses aber 2015 verlassen haben, hält sich der Iran nicht mehr an die Auflagen des Vertrags.
    US-Beamten und Experten der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zufolge verfügt das Land inzwischen über genug angereichertes Uran für mindestens drei Atombomben, wie die "Washington Post" berichtet. Innerhalb weniger Monate könne das Mullah-Regime demnach eine primitive Bombe bauen.
    Wichtige Einrichtungen des iranischen Atomprogramms
    Wichtige Einrichtungen des iranischen Atomprogramms
    Quelle: ZDF

    "Iran ist mittlerweile ein nuklearer Schwellenstaat und erfüllt fast alle technischen Voraussetzungen dafür, um eine Atombombe bauen zu können", bestätigt auch die Iran-Expertin Azadeh Zamirirad von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.

    Vom eigentlich Bau ist das Land damit aber immer noch ein ganzes Stück weit entfernt. Schätzungen reichen von sechs bis achtzehn Monaten.

    Azadeh Zamirirad, Stiftung Wissenschaft und Politik

    Was fehlt dem Iran noch bis zum Einsatz einer Atombombe?

    Das auf 90 Prozent angereicherte Uran könnte der Iran innerhalb einer Woche herstellen, damit hätte Teheran aber nur das Spaltmaterial. Für eine einsatzfähige Waffe sind mehr Komponenten nötig. Dazu bräuchte Iran die Befestigung an einem geeigneten Trägersystem und in der Regel auch Atomtests, so Zamirirad. Das sei nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen.
    Montage: Rechts die Flagge des Iran, links ein Kraftwerk im Iran, darauf das Zeichen für Atomkraft/Radioaktivität.
    Baut der Iran an der Atombombe? Diese Sorge treibt die Welt um. Und einiges spricht dafür, dass die Mullahs mehr wollen als nur die friedliche Nutzung der Nukleartechnik.15.03.2023 | 44:05 min

    Will Teheran eine Atombombe überhaupt einsetzen?

    Ob es tatsächlich dazu kommen wird, ist unklar. Die iranische Führung will offenbar eine direkte Konfrontation vor allem mit den USA vermeiden. Der oberste Führer des Iran hatte sich einerseits immer wieder gegen Atomwaffen ausgesprochen. Massenvernichtungswaffen stünden "im Widerspruch zum Islam", hieß es. Andererseits sprachen iranische Beamte, die für die Anlage verantwortlich waren, offen über das Ziel einer "Abschreckung" - ein Hinweis, dass Teheran tatsächlich den Status einer Atommacht anstrebt.
    Das Atomprogramm diene dem Iran derzeit vor allem als Abschreckungsmasse, schätzt auch Politikwissenschaftlerin Zamirirad die Situation ein. Hierfür reiche zunächst der Status als nuklearer Schwellenstaat aus.

    Sollte der Konflikt mit Israel aber weiter eskalieren, dann steigt das Risiko erheblich, dass Iran versuchen wird, verlorenes Abschreckungspotenzial über eigene Atombomben zu kompensieren.

    Azadeh Zamirirad, Stiftung Wissenschaft und Politik

    Flammen von Explosionen erscheinen am Himmel über Tel Aviv, während Israels Raketenabwehrsystem Raketen und Drohnen aus dem Iran abfängt.
    Nach den Luftangriffen des Irans hat Israel eine Reaktion angekündigt. Medienberichten zufolge sollen die USA über das geplante Vorgehen informiert werden.16.04.2024 | 0:27 min

    Kann der Iran von seinem Weg zur Bombe abgebracht werden?

    "Mit Militärangriffen lässt sich das Programm nicht mehr zurückfahren", meint Zamirirad: Die besten Aussichten lägen in einer politischen Verständigung. Unter dem Atomabkommen von 2015 war Irans Atomprogramm technisch beschränkt und unter umfassender internationaler Kontrolle, Teheran war weit vom Bau einer Bombe entfernt.

    Ohne funktionierendes Abkommen ist Irans Atomprogramm so weit fortgeschritten wie nie zuvor. Was wir brauchen, ist eine neue Rahmenvereinbarung.

    Azadeh Zamirirad, Stiftung Wissenschaft und Politik

    Die Aussichten darauf sind jedoch düster. Vor den Präsidentschaftswahlen in den USA sei in diesem Punkt nicht mit Bewegung zu rechnen. Und ohne Abkommen wird es nahezu unmöglich sein, den Iran von der Entwicklung von Atomwaffen abzuhalten.
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