Juckreiz, Atemnot bis hin zum lebensbedrohlichen Schock: Allergien sind auf dem Vormarsch. Forscher decken immer neue erstaunliche Zusammenhänge auf. Ist der Allergie-Code jetzt geknackt?
Bei einer Allergie spielt das körpereigene Immunsystem verrückt - eine fatale Fehlsteuerung. Die Hoffnung: Könnten schon bald der „Kuhstall zum Schlucken“ oder eine Impfung helfen? Harald Lesch zeigt, wie man Allergien in Zukunft stoppen will.
Eine mysteriöse Allergie gegen rotes Fleisch stellte Wissenschaftler vor Rätsel: Wie aus dem Nichts bekommen Menschen plötzlich beim Verzehr von einem Steak Atemnot bis hin zur Ohnmacht. Selbst Süßes mit Rindergelatine, Milchprodukte und gelatinebasierte Medikamente können zu allergischen Reaktionen führen. Sogenannte Co-Faktoren wie Alkohol beschleunigen den Prozess. Erst vor Kurzem entschlüsselten Forscher die Mechanismen hinter dieser plötzlich auftretenden Fleischallergie: Auslöser des Übels sind Zecken. Studien haben gezeigt, dass durch den Biss einer Zecke, eine Nahrungsmittelallergie ausgelöst werden kann. Der Grund: Durch den Biss der Zecke kann das Zuckermolekül alpha-Gal ins menschliche Blut gelangen, wenn die Zecke vorher bei einem anderen Saugetier gesaugt hat. Nach dem Zeckenstich bildet das menschliche Immunsystem Antikörper gegen alpha-Gal. Beim Verzehr von rotem Fleisch, das diese Zuckerverbindung enthält – wie Rind, Schwein, Lamm oder Wild – kommt es dann zu einer Reaktion mit den typischen allergischen Symptomen. Eine Therapie gibt es noch nicht. Allein durch strikten Verzicht auf Nahrungsmittel, die alpha-Gal enthalten, kann man einen erneuten schweren allergischen Schock vermeiden.
Für Menschen, die allergisch auf Erdnüsse sind, bergen schon winzige Mengen des Allergens ein hohes Risiko. Das Problem dabei ist, dass in den Zutatenlisten von Produkten oft keine Erdnüsse aufgeführt sind, obwohl sie welche enthalten. Denn über gemeinsame Produktionsschienen kann das Produkt mit erdnusshaltigen Stoffen in Kontakt kommen – und so geringe und nicht kennzeichnungspflichtige Mengen an Erdnuss enthalten. Aber was lässt das Immunsystem schon bei geringsten Mengen reagieren?
Erdnüsse enthalten viele Proteine. Besonders kritisch sind die Speicherproteine und die Fettproteine. Sie sind äußerst hitze- und säurebeständig. Dadurch überstehen sie auch die menschliche Magensäure. Die Ursache einer allergischen Reaktion ist eine fatale Fehleinschätzung der körpereigenen Abwehr mancher Menschen: Schon beim ersten Kontakt stuft ihr Immunsystem die Proteine der Erdnuss fälschlicherweise als „feindlich“ ein. Die Folge: Spezielle weiße Blutkörperchen bilden zur Abwehr sogenannte IgE-Antikörper. Diese sind spezifisch gegen die Proteine der Erdnuss gerichtet und binden an die Oberfläche bestimmter Immunzellen.
Das Ergebnis: die Sensibilisierung gegen genau diese Proteine. Gelangen die Eiweiße der Erdnuss erneut in den Körper, binden sie an den IgE-Antikörpern. Dadurch werden die Immunzellen aktiviert, die dann Entzündungsstoffe wie Histamin freisetzen. In kürzester Zeit weiten sich die Blutgefäße. Die glatte Muskulatur zieht sich krampfartig zusammen. Im Falle einer schweren allergischen Reaktion, wie der Anaphylaxie, droht ein Herz-Kreislauf-Kollaps. Denn die Abwehrreaktion betrifft nicht nur ein Organ, sondern gleich das ganze System. In dieser lebensbedrohlichen Situation hilft nur noch Adrenalin. Es entspannt die Muskulatur, stimuliert Blutdruck und Herzschlag. So kann der Amoklauf der körpereigenen Abwehr gestoppt werden.
Seit Jahrzehnten erforscht ein Team um den Immunologen Professor Martin Bachmann, wie das Immunsystem auf das Eindringen von Viren reagiert. Gesucht wird nach geeigneten Kandidaten für die Entwicklung von Impfstoffen gegen Allergien. In ihrem Fokus: Die Oberflächenstruktur der Viren. Und so soll es funktionieren: Bachmann will die Kapsel eines Virus mit den Allergenen der Erdnuss verknüpfen. Diese Kapsel soll das Immunsystem täuschen. Wenn es gelingt, wird die Bildung von IgG-Antikörpern angeregt und eine allergische Reaktion unterbunden. Benötigt wird eine Viruskapsel, die für den Körper unschädlich ist und so optimiert werden kann, dass wirklich alle Menschen auf die Impfung ansprechen.
Ein vielversprechender Kandidat ist das sogenannten Cucumber Mosaic Virus. Übertragen durch Blattläuse, befällt es Gurken und Kürbisse. Für Tier und Mensch ist es dagegen ungefährlich, und es hat eine Oberflächenstruktur, die den Anforderungen standhält: An seine Kapsel können die Forscher das Allergen koppeln. Dieser Komplex aus Allergenen und Virus-Kapsel soll dann vor einer allergischen Reaktion schützen. Die Hoffnung der Forscher: Zwei bis drei Impfungen und wenige Auffrischungen könnten in Zukunft Erdnussallergiker vor schweren Reaktionen bewahren. Erste Studien am Menschen starten demnächst. Bis zur Marktreife wird es allerdings noch fünf bis sieben Jahre dauern. Wird die Vision Wirklichkeit, so ließen sich mithilfe dieser Impf-Methode vermutlich auch andere Allergien in Luft auflösen.
Die Neigung, große Mengen IgE-Antikörper gegen Umweltstoffe zu bilden und damit eine Allergie zu entwickeln, wird vererbt. Sind Geschwister oder ein Elternteil allergisch, liegt das Risiko, an einer Allergie zu erkranken, zwischen 20 und 40 Prozent. Betrifft es beide Elternteile, steigt es auf bis zu 60 Prozent. Und teilen Mutter und Vater auch noch die gleiche Form der Allergie, ist mit 80 Prozent die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass auch das Kind erkrankt. Doch damit sich aus der Veranlagung tatsächlich eine Allergie mit klinischen Symptomen entwickelt – dafür sind nicht nur unsere Gene verantwortlich. Auch andere Faktoren spielen eine wichtige Rolle. Beispielsweise der frühe Kontakt mit Keimen: Eine natürliche Geburt, das Stillen und eine frühe diverse Beikost stimulieren das Immunsystem und tragen zur Toleranzentwicklung gegenüber fremden Stoffen bei. Für Allergiker bleibt dennoch eine Hoffnung: In seltenen Fällen bilden sich Allergien von selbst zurück. Wie, ist für Wissenschaftler noch ein Rätsel.
Dutzende Studien belegen: Kinder, die auf einem Bauernhof aufwachsen, erkranken deutlich seltener an Allergien und Asthma als andere Kinder. Doch was genau liegt in der Stallluft und macht diesen erstaunlichen Schutz aus? Die Klinische Immunologin Professor Dr. Erika Jensen-Jarolim und ihre Kollegin Dr. Isabella Pali aus Wien detektieren nach genauer Analyse des Kuhstallstaubs ein spezielles Protein: Beta-Laktoglobulin. Über den Urin der Kuh gelangt es in die Stallluft. Und über die Atmung in den Organismus der Menschen, die in der Nähe des Kuhstalls leben. Studien zeigen: Das Protein aus der Luft stimuliert die regulatorischen Immunzellen und wirkt so einer allergischen Entzündungsreaktion entgegen.
Doch nicht nur im Stallstaub kommt das Beta-Laktoglobulin vor, sondern auch in der Rohmilch. Das könnte erklären, warum Kinder, die regelmäßig Rohmilch trinken, ebenfalls vor Allergien geschützt sind. Auch dann, wenn sie nicht auf einem Bauernhof leben. Die Wissenschaftlerinnen entdeckten ein wichtiges Detail: Im Staub und in der Rohmilch ist das Protein „beladen“: mit Eisen, Zink und Vitamin A. Die Hypothese: Genau diese Komponenten stimulieren die Immunzellen und bewirken so den Schutz gegen Allergien. Wird die Milch industriell verarbeitet, verändert sich die Struktur des Proteins. Die schützenden Faktoren, so die Vermutung, gehen verloren. Die Supermarktmilch kann daher gegen Allergien nicht helfen. Rohmilch hingegen schon. Allerdings kann sie gefährliche Krankheitserreger wie EHEC oder Salmonellen enthalten. Die Lösung ist vielleicht ein pulverförmiges Milch-Protein, das Erika Jensen-Jarolim und ihr Team über ein patentiertes Verfahren nun wieder mit den wirkungsvollen Stoffen bestücken, mit Eisen, Zink und Vitamin A. Ein Komplex, der frei von gefährlichen Erregern ist und ortsunabhängig eingenommen werden kann. Eine erste Studie bestätigt die allergiemildernde Wirkung. Demnächst soll das Produkt als Nahrungsergänzungsmittel auf den Markt kommen. Der schützende Effekt des Kuhstalls erreicht so auch die Menschen in der Stadt.
Allergien sind die häufigsten chronischen Erkrankungen in Deutschland und Europa. Doch wie können wir uns davor schützen? Professor Harald Lesch hat dazu ein paar gute Tipps.
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