Forschende haben den Wettlauf gegen Covid-19 längst aufgenommen. Bedeutet das Licht am Ende des Tunnels? Oder verhindern neue Bedrohungen eine schnelle Rettung? Professor Harald Lesch prüft die Sicherheit der Impfungen und ordnet die Gefahr von neuen Mutationen ein. Und er holt sich Expertinnen und Experten ins Studio: Frau Professor Ulrike Protzer, Virologin an der Technischen Universität München und im Helmholtz Zentrum München, und Herrn Professor Dr. Malte Thießen, Medizinhistoriker und Leiter des LWL-Instituts für westfälische Regionalgeschichte.
Sind die neuen mRNA-Impfstoffe sicher?
Die neuartigen Impfstoffe gegen Covid-19 wurden in nur zehn Monaten entwickelt. Für Manche ein Grund zur Sorge, denn normalerweise dauert die Entwicklung von Impfstoffen mehrere Jahre. Allein bis ein möglicher Impfstoffkandidat gefunden ist, vergeht meist viel Zeit. Es folgen präklinische Tests an Tieren und danach drei klinische Testphasen mit steigender Zahl an Probanden, um die Verträglichkeit, die beste Dosis und die Wirksamkeit zu ermitteln. Hier geht allerdings oft viel Zeit verloren - mit Warten auf Geld, die Auswertung der Daten und behördliche Genehmigungen. Erst wenn alle Tests erfolgreich waren beginnt der Zulassungsprozess, und danach die Produktion.
Wie konnte es diesmal so schnell gehen? Zunächst konnten die Forschenden auf Vorarbeiten zurückgreifen. Seit 2002 kennen sie das Virus Sars-CoV-1, das dem heutigen Sars-CoV-2 sehr ähnlich ist. Dank der Arbeiten am Vorgänger-Virus war ein Impfstoffkandidat schnell gefunden und man konnte direkt mit den präklinischen Tests beginnen. Zudem war jedem die Dringlichkeit bewusst, so dass niemand unnötig warten musste. Einzelne Schritte, wie Probandenrekrutierung für die verschiedenen Teststufen, wurden zusammengelegt, so dass die Phasen teils überlappten. Auch die Zulassungsbehörden haben mit ihrer Bewertung bereits im laufenden Prozess begonnen. Und: Dank der millionenschweren Unterstützung der Regierung konnte man nicht nur alle Kräfte mobilisieren und so noch schneller arbeiten, sondern auch ohne Risiko schon vor der Zulassung mit der Produktion beginnen.
Kann ein mRNA Impfstoff unser Erbgut verändern?
Um einen mRNA Impfstoff herzustellen, wird nur ein Abschnitt der Virus-RNA, d.h. seiner Erbinformation, kopiert. Dieser Abschnitt ist für die Spikes verantwortlich, die dem Virus Zugang in unsere Zellen ermöglichen. Mit dem Impfstoff gelangt dieser mRNA-Abschnitt in unsere Zellen. Für die Zelle ist er eine Art Plan, mit dem sie die Spikes des Virus nachbaut und an der Zellhülle präsentiert. Unser Immunsystem beginnt dann Antikörper dagegen zu bilden. So aufgerüstet sind wir auch gegen die echten Viren gewappnet.
Die mRNA aus dem Impfstoff wird bei diesem Prozess verbraucht: nachdem sie ihre Befehle übermittelt hat, wird sie abgebaut. Und: Unsere eigene Erbinformation - die DNA im Zellkern – hat eine andere Struktur und unterscheidet sich auch chemisch von der mRNA aus dem Impfstoff. Diese kann sich deshalb nicht mit unserer DNA verbinden und sie auch nicht verändern.
Die ersten Impfskeptiker
Die Impfskepsis ist so alt wie die Impfung selbst. Ende des 18. Jahrhunderts entwickelt der englische Arzt Edward Jenner eine Impfmethode gegen die Pocken, damals die häufigste Todesursache. Jenner beobachtete Infektionen mit Kuhpocken bei Landfrauen. Die Krankheitsverläufe waren recht harmlos. Seine Idee: Mit dem Wundsekret der Landfrauen können Menschen geimpft und so vor den gefährlichen Pocken geschützt werden.
Seine Methode erweist sich als erfolgreich, weckt aber auch Skepsis – Vertreter der Kirche halten sie für gottlos, und manche Zeitschrift druckt Spottbilder. Nach heutigen Maßstäben ist Jenners Impfung tatsächlich riskant: Mindestens einer von 30.000 Geimpften stirbt daran. Doch als Arzt weiß Jenner: Eine Pockeninfektion ist ungleich tödlicher. Bald ist klar, dass der Nutzen der Impfung die Risiken bei Weitem übersteigt. In vielen Ländern wird die Pockenimpfung deshalb bald Pflicht und von der Bevölkerung auch gut angenommen. Lange sind die Pocken die einzige Seuche, gegen die es überhaupt eine Impfung gibt. Erst im 20. Jahrhundert gelingt es, auch gegen andere Krankheiten Impfungen zu entwickeln. Heute werden Kinder in Deutschland im Allgemeinen gegen mehr als ein Dutzend Krankheiten geimpft. Die Pocken sind nicht mehr darunter, denn dank vergangener Impfkampagnen gelten sie als ausgerottet. Gefährliche Infektionskrankheiten sind heute dank Impfungen selten. Doch ohne das Leid vor Augen scheint manchen eine Impfung unnötig riskant – selbst mitten in der zweiten Coronawelle.
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Keine Immunität nach Infektion?
Die Millionenstadt Manaus in Brasilien wurde vom Coronavirus schwer getroffen. In der ersten Welle gab es hier Tausende Tote. 75 Prozent der Bevölkerung sollen sich damals infiziert haben. Doch jetzt schießen die Zahlen erneut in die Höhe. Wie kommt es zu diesem neuerlichen Anstieg? Der Großteil von Manaus ist doch bereits durchseucht.
Der Verdacht: Viele Menschen infizieren sich ein zweites Mal mit dem Virus. Sicher belegt ist bisher nur eine erneute Infektion. Ein 37-jähriger Krankenpfleger hat sich 116 Tage nach seiner Erstinfektion wieder angesteckt. Doch diesmal mit einem mutierten Virus. Die entscheidende Mutation heißt E484K. Das Besondere: Das mutierte Virus schafft es wohl, den bei der ersten Infektion gebildeten Antikörpern zu entkommen. Eine sogenannte Escape-Mutation. Die Sorge, die Pandemie könne jetzt von vorne beginnen, wächst. Die Hoffnungen ruhen nun auf den Impfungen. Denn die körpereigene Abwehr nach einer Infektion ist meist schwächer als die Abwehr, die ein Impfstoff erzeugt.