Ziel der Forschung ist es, Infektionswege zum Ursprung zurückzuverfolgen. So ließen sich Strategien zum Schutz vor neuen Pandemien entwickeln. Es sind nicht nur Fledertiere, die krank machende Keime übertragen. Professor Harald Lesch spricht mit Dr. Fabian Leendertz vom Robert Koch-Institut über die aktuellen Ergebnisse der Erkundungen in China zum Ursprung von SARS-CoV-2 und zeigt, wie man in Zukunft den Sprung von Viren vom Tier über die Artengrenze zum Menschen verhindern könnte – und damit vielleicht auch künftige Pandemien.
Dem Typhus auf der Spur
Anfang des 20. Jahrhunderts verfolgte der Hygieniker Dr. George Soper die Spur von Typhusausbrüchen in den USA. 1907 stand Soper seiner ermittelten „Erregerquelle“ gegenüber – der Köchin Mary Mallon. Tatsächlich hatte diese erste entdeckte „Typhus-Superspreaderin“ fast 50 Menschen infiziert, ohne selbst zu erkranken. Ein Sonderfall bei Typhus, bei dem Infizierte den Typhus Erreger dauerhaft ausscheiden und selbst gesund bleiben. Sie hatte das Bakterium Salmonella typhi ahnungslos und unbemerkt gestreut, bis Dr. Soper die Zusammenhänge entdeckte.
Woher kam das Ebolavirus?
Afrika 2014. In den drei westafrikanischen Staaten Liberia, Guinea und Sierra Leone kommt es zu einem Ebola Ausbruch, der sich rasant und ungebremst über die Region ausbreitet. Während man mit der Kontaktnachverfolgung die Verbreitung noch aufhalten möchte, wollen Forschende verstehen, wie und wo die Epidemie ihren Anfang nahm. Nur dann lassen sich in Zukunft auch weitere verhindern.
Man sucht in den Wäldern der betroffenen Gebiete nach Ebola erkrankten Tieren, wie infizierten Menschenaffen. Und man untersucht Fledertiere, die schon lange im Verdacht stehen, Ebolaviren zu verbreiten. Doch die Forschenden finden keine Hinweise. Erst die intensive Befragung von Contact Tracern in den Dörfern bringt sie auf eine heiße Spur, in ein abgelegenes Dorf in Guinea. Das erste Opfer im Dorf war im Dezember 2013 ein kleiner Junge, der in Kontakt mit Fledermäusen stand. Da die Forschenden im weiteren Verlauf der Ermittlungen keinen weiteren Infizierten fanden, der vor diesem Zeitpunkt der Seuche zum Opfer fiel, war der Junge offensichtlich Patient 0. Forschende gehen heute davon aus, dass sich das Kleinkind vermutlich an Fledermäusen der Art Mops condylurus beim Spielen an einem Baum infizierte.
Die Ebola Epidemie in Westafrika konnte erst 2016 gestoppt werden und forderte letztendlich über 11.000 Menschenleben.
Wie wird sich MERS entwickeln?
2012 entdeckten Forschende auf der arabischen Halbinsel den ersten MERS-Fall. MERS steht für Middle East Respiratory Syndrome – eine gefährliche Atemwegserkrankung. Im Schnitt stirbt jeder dritte Infizierte. Der Erreger ist das sogenannte MERS-Coronavirus. Doch welchen Ursprung hat das Virus? Schon bald fand man in Kamelen Viren, die nahezu identisch mit den MERS-Coronaviren der Patienten sind. Die Viren müssen vom Kamel zum Menschen übergesprungen sein. Von Mensch zu Mensch überträgt sich der Erreger glücklicherweise bisher kaum.
Ursprünglich soll das MERS-Coronavirus, wie viele Coronaviren, von Fledertieren aus Afrika stammen. Vor vielen Jahrhunderten müssen die Viren von den Fledertieren auf die Kamele übergesprungen sein und sich in ihnen etabliert haben. Durch den Kamelhandel gelangten schließlich infizierte Tiere nach Arabien. Aber nicht nur die MERS-Viren sind mit Kamelen auf Reisen gegangen, auch heutige Erkältungsviren könnten einst diesen Weg genommen haben. So entdeckte man bei Studien zu MERS auch Erreger, die mit dem menschlichen Erkältungsvirus HCoronavirus-229E nah verwandt sind. Die Vermutung: Einst könnte auch dieses Coronavirus, wie heute MERS, tödlich gewesen sein. Man vermutet, dass dem Erreger vor Jahrhunderten der Sprung zum Menschen gelang, für dessen Immunsystem das Coronavirus völlig neu war. Das Virus breitete sich aus. Doch im Laufe der Zeit wurde es durch Mutationen weniger gefährlich und das menschliche Immunsystem konnte sich anpassen. Heute ist das Coronavirus-229E nur noch ein harmloses Erkältungsvirus.