Ein großer Teil des Wissens darüber, wie sich das Leben entwickelt hat, wie seine biologischen Prozesse ineinandergreifen, wie Krankheiten entstehen und wie sie sich behandeln lassen, ist der modernen hochauflösenden Fluoreszenzmikroskopie zu verdanken. Sie basiert auf der Wechselwirkung von Laserlicht mit bestimmten Biomolekülen, denen sich dadurch detailreiche Informationen über organische Strukturen und deren Dynamik entlocken lassen. Doch die findige Methode hat auch einen großen Nachteil: Sie beeinflusst und schädigt die untersuchten Organismen – das schränkt ihre Anwendungsmöglichkeiten drastisch ein. Wie lässt sich dieses Dilemma auflösen?
Dr. Thomas Kalkbrenner, Dr. Jörg Siebenmorgen und Ralf Wolleschensky haben ein neuartiges Mikroskop-System geschaffen, mit dem das gelingt. Das System eröffnet völlig neue Perspektiven für die Forschung in Biologie, Medizin und Pharmakologie, indem es die sogenannte Gitter-Lichtblatt-Mikroskopie mit einer Reihe innovativer optischer Techniken verknüpft. Dadurch werden empfindliche lebende Proben bei der mikroskopischen Untersuchung vor einer Schädigung durch das verwendete Laserlicht geschützt. Zugleich fanden die Nominierten einen Weg, um die komplexe Technik auf einfache Weise nutzbar zu machen.
Die Grenzen des Laserlichts
Die hochauflösende, dreidimensionale Bildgebung per Fluoreszenzmikroskopie hat bereits eine Menge zur Entschlüsselung der Geheimnisse des Lebens beigetragen. Bei dieser Methode wird eine organische Probe, etwa ein Verband menschlicher Körperzellen, zunächst mit einem Biomarker präpariert und anschließend mit Laserlicht einer bestimmten Wellenlänge bestrahlt. Das Licht regt die Biomarker-Moleküle zum Leuchten an: Es entsteht sogenanntes Fluoreszenzlicht. Aus seiner Verteilung lassen sich vielfältige Informationen über biologische Vorgänge auf winzigem Maßstab gewinnen, etwa im Inneren einer Zelle.
Allerdings: Das Laserlicht, dem die biologische Probe ausgesetzt ist, kann sie schädigen - biologische Strukturen und Prozesse verändern sich oder werden gar zunichte gemacht. Die Forscher sprechen dabei von Phototoxizität. Sie kann zu einer falschen Interpretation der unter dem Mikroskop gewonnenen Aufnahmen führen. Untersuchungen lebender Systeme über einen längeren Zeitraum hinweg sind vielfach gar nicht möglich. Das setzt den Erkenntnissen, die sich durch die Fluoreszenzbildgebung gewinnen lassen, enge Grenzen. Hinzu kommt, dass dieses Limit umso rigoroser wirkt, je mehr Feinheiten man betrachten will.
Die Entwicklung der Lichtbätter vorangetrieben
Dieses Hemmnis hat das nominierte Team mit dem neu entwickelten System aus dem Weg geräumt. Dazu setzten die Nominierten zunächst auf die erst seit rund 15 Jahren bekannte Technologie der Lichtblatt-Mikroskopie, die für Modellorganismen aus der Entwicklungsbiologie verwendet wird: Dabei sind die Ebene, in der die Probe beleuchtet wird, und die Detektionsrichtung des Fluoreszenzlichts senkrecht zueinander orientiert. Es wird nur der Teil der Probe beleuchtet, der sich gerade im Fokus befindet, was die Strahlenbelastung des unter dem Mikroskop betrachteten Objekts erheblich reduziert.
Die Gesetze der Optik verhindern jedoch die Übertragung dieser Technologie auf die Zellbiologie: Fokussiert man die klassischen Strahlen stärker, um sehr dünne Lichtblätter für subzelluläre Auflösung zu erreichen, werden die Strahlen auch kürzer und man hat gar kein Lichtblatt mehr. Es mussten also nichtklassische Strahlformen zum Einsatz kommen, die sehr dünne und zugleich lange Lichtblätter erlauben – die sogenannten Lattice Lightsheets oder Gitter-Lichtblätter. Sie zu erzeugen ist jedoch sehr aufwändig, weshalb die Nominierten neue Konzepte für eine automatische Herstellung dieser Lichtblätter entwickelten.