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Jung und ...
Jung und obdachlos
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Viele junge Erwachsene leben auf der Straße oder in Notunterkünften. Gründe sind oft familiäre Probleme, finanzielle Schwierigkeiten, psychische Erkrankungen und der Mangel an bezahlbarem Wohnraum.
Jung und ...
Jung und obdachlos
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Viele junge Erwachsene leben auf der Straße oder in Notunterkünften. Gründe sind oft familiäre Probleme, finanzielle Schwierigkeiten, psychische Erkrankungen und der Mangel an bezahlbarem Wohnraum.
Rund 530.000 Menschen gelten hierzulande als „wohnungslos“. Die Zahl derjenigen, die „obdachlos“ sind, also auf der Straße leben, wird gegenwärtig insgesamt auf 47.300 geschätzt. Zu obdachlosen Jugendlichen gibt es keine belastbaren Zahlen.
Mit 19 Jahren obdachlos
„Zeit zum Aufstehen!“ ruft André. Der 19jährige Sandro erhebt sich träge aus seinem Schlafsack, er liegt vor einem Kaufhaus in der Nürnberger Innenstadt. Seit 3 Jahren lebt Sandro auf der Straße. „Ghost“ nennen sie ihn in der Szene, weil er schon als Jugendlicher immer wieder aus Heimen und aus Pflegefamilien abgehauen ist. Warum? „Viel zu viel Scheiße. In der Pflegefamilie: viel zu viel Scheiße, im Heim auch…“. Was wo genau passiert ist, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Hier vor dem Kaufhaus ist es wenigsten überdacht, ein wenig Schutz gegen den Regen und die Kälte. Ämtern und Institutionen traut Sandro nicht mehr über den Weg, er schlägt sich mit Schnorren durch. Zum Überleben braucht er rund 10 bis 15 Euro am Tag. „Auf der Straße muss man abgehärtet sein, sonst überlebt man das nicht.“ sagt er. Inzwischen hat er sich an dieses Leben gewöhnt. Eine eigene Wohnung oder eine Jugendhilfeeinrichtung kommt für ihn nicht in Frage. Sandro hat sich mit seinem Schicksal als „Straßenkind“ abgefunden.
Hilfe mit Verein "little home"
Joe aus Berlin ist vor einer Woche zuhause rausgeflogen. Der 19jährige Schüler geriet an falsche Freunde, wurde immer wieder kriminell. Als er ohne Führerschein ein Auto auf den Namen seiner Mutter ausleiht und einen schweren Unfall baut, reicht es den Eltern. Sie setzen ihn auf die Straße. „Mama und Papa haben gesagt, dass ich jetzt raus gehen soll aus der Wohnung, dass ich daraus lernen soll und dass ich dann wieder kommen soll, wenn ich draus gelernt habe.“ Das Ganze ist eine Erziehungsmaßnahme, die allerletzte Chance, damit er nicht noch weiter in die Kriminalität abrutscht. Weil er nirgendwo sonst hinkann, hat sich Joe einer Obdachlosengruppe am Stadtrand von Berlin angeschlossen. Der Verein „little home“ unterstützt hier Obdachlose mit kleinen Holzhütten – ein wenig Schutz vor der Kälte. Die zwischen drei und acht Quadratmetern großen Mobilheime sind ohne Heizung und Strom, nur mit einer Campingtoilette und Feuerlöscher ausgestattet. „Für Joe ist es fünf nach 12,“ sagt Sven Lüdecke vom Verein „little home“: „Eigentlich haben jungen Menschen wie er nichts auf der Straße verloren!“.
Schwierige Jobsuche
Die Gründe für Straßenkarrieren sind vielfältig. Zu den Hauptmotiven zählen: Familiärer Ärger, persönliche Probleme, auslaufende Hilfen oder Sanktionen durch das Jugendamt oder das Jobcenter. Die schwere Suche nach einer Wohnung erlebt auch die 22jährige Bella aus Berlin. Über 100 Bewerbungen hat die junge Frau schon geschrieben. Sie lebt in einer Jugendhilfeeinrichtung, aus der sie schon bald ausziehen muss. „Es ist unmöglich gegen die Menschenmassen anzukommen, der Druck ist enorm.“ Dass Bella in einer Einrichtung lebt, verschweigt sie lieber. „Sonst haben die Vermieter wieder das klassische Stigma vor Augen: Junkie, hat nichts vor im Leben, will nichts erreichen“. Dabei ist Bella engagiert, macht eine Ausbildung und absolviert dazu ein Fernstudium. Rund 650 Euro Miete könnte die junge Frau zahlen. Weil sie über Anzeigen und Suchplattformen nichts findet, hat sie sich entschieden, überall Zettel in ihrem Wohnbezirk aufzuhängen. Ein verzweifelter Versuch, aber sie will alles probieren.
Die ZDF.reportage über junge Menschen, die von Obdachlosigkeit betroffen oder bedroht sind.