Die sizilianische Mafia erzielt im Drogengeschäft und als Baumafia in Deutschland Milliardengewinne. Der hierzulande unbegrenzt mögliche Einsatz von Bargeld - selbst bei Immobilienerwerb - macht Deutschland hochattraktiv für mafiöse Geldwäsche in großem Stil.
Brutaler Mafiamord und naive Staatsanwaltschaft
Als der 12-jährige Giuseppe R. am 13. Mai 2013 mittags von der Schule in sein Zuhause im Mannheimer Vorort Kirschgartshausen kommt, stolpert er mitten in einen Albtraum. Die Leichen seiner Eltern liegen blutüberströmt in der Küche und im Wohnzimmer. Die Spurensicherung der Polizei dokumentiert zwei Täter sowie Kopf- und Genickschüsse - wie bei einer Hinrichtung.
Die typische Handschrift der Mafia. Doch das wegen Drogen- und Waffendelikten polizeibekannte Opfer, ein sizilianischer Gastwirt aus Mannheim, veranlasst weder die zuständige Mannheimer Staatsanwaltschaft noch das Landeskriminalamt in Stuttgart, von einem Auftragsmord der sizilianischen Cosa Nostra zu sprechen. In Ermittlerkreisen vermutet man zunächst eine mögliche Beziehungstat. Die Täter sind auch heute, neun Jahre nach dem Doppelmord, nicht gefasst.
Cosa Nostra - Ursprung und Expansion
Die Cosa Nostra gilt als "Mutter aller Mafiaorganisationen" und beherrscht die Organisierte Kriminalität in Italien seit 1860 mehr als 100 Jahre lang. Die grassierende Armut in Süditalien wird zum idealen Nährboden der Mafia. Sizilianische Familienclans werden reich mit Schutzgelderpressung, Kokainschmuggel, gefälschten Lebensmitteln sowie im Baugeschäft.
Der zunehmende Verfolgungsdruck des italienischen Staates verstärkt die Expansion der Cosa Nostra insbesondere nach Deutschland. Die Anonymität Zehntausender sizilianischer Gastarbeiter samt gut integrierter Gastronomiebetriebe im Rhein-Neckar-Raum bietet der Mafia seit den 1970er-Jahren perfekte Ruhe- wie Aktionsräume.
Das tödliche Ende einer Ermittlungsfahrt
Als sich in den 1990er-Jahren brutale Mordfälle innerhalb Mannheims italienischer Community häufen, intensivieren deutsche Ermittler und sizilianische Antimafia-Jäger ihre Zusammenarbeit. Die "Pista della morte" zwischen Mannheim und Palma di Montechiaro wird zum blutigen Schauplatz zahlreicher Attentate.
Gezielt reisen die in ganz Italien angesehenen Ermittlungsrichter Falcone und Borsellino nach Mannheim, finden dort Kronzeugen innerhalb mafiöser Clans, teilen wichtiges Know-how mit ihren deutschen Kollegen. Sommer 1992: Beide Richter sterben in Palermo, jeweils auf Rückreisen aus Deutschland, durch brutale Sprengstoffattentate zusammen mit ihren Leibwächtern im Auto.
Deutschland - ein Paradies für italienische Mafiosi
Die Magnetwirkung Deutschlands auf organisierte Kriminelle aus Sizilien beruht auf zwei wesentlichen Faktoren: Deutschland als wohlhabendes Industrieland bietet für alle Geschäftsfelder der Cosa Nostra reiche Absatzmärkte. Der Drogenkonsum, insbesondere von Kokain und Crack, steigt kontinuierlich an.
Und als Baumafia greifen die Clans über mafiös unterwanderte Firmen mit Dumpingpreisen private wie öffentliche Großaufträge ab. Hier verschwinden enorme Mengen an Schwarzgeld aus kriminellen Geschäften. Der überhitzte Immobilienmarkt befeuert diese Entwicklung noch.
Der zweite Faktor ist die wenig konsequente Bekämpfung von Geldwäsche. Zusammen mit einer europaweit einmaligen Bargeldpolitik - in Deutschland können selbst Immobiliendeals als Bargeschäfte ohne Deckelung abgewickelt werden - eröffnen sich hochattraktive Anlagemöglichkeiten für die mit Anwälten, Bankern und lokalen Politikern vernetzte Cosa Nostra.
Dass deutsche Politiker und Ermittler das Phänomen "Mafia in Deutschland" nicht klarer benennen und öffentlichkeitswirksam, quasi frontal, angehen, verstehen viele sizilianische Anti-Mafia-Experten nicht. Sie halten genau das für einen ebenso wichtigen ersten Schritt wie die zentrale Bekämpfung der Geldwäsche, um den organisierten Verbrechern der Cosa Nostra auch in Deutschland ernsthafter entgegenzutreten.