"ZDFzeit" geht den Ursachen auf den Grund: Welche Rolle spielt die Politik, die vom Streit zwischen dem türkischen Präsidenten Erdogan und Berlin geprägt wird? Wie wirkt sich die Debatte um Islam und Migration auf das Verhältnis aus? Woran hakt es im Alltag?
Laut einer repräsentativen Umfrage für die Sendung halten 38 Prozent der Deutschen die Integration für geglückt. Unter den befragten Deutschtürken fühlen sich sogar 66 Prozent gut bis sehr gut integriert. Allerdings denkt fast jeder Zweite von ihnen, dass sich das Verhältnis zwischen Deutschen und Türken in den vergangenen Jahren eher verschlechtert hat.
Ein ambivalentes Verhältnis
Das Zusammenleben wird immer wieder auf harte Proben gestellt. Fassungslos sehen viele Deutsche zu, wie deutsche Türken "ihrem" Staatspräsidenten Erdogan applaudieren – und Deutschland nicht einmal verteidigen, als der in Wutreden Deutschland Nazi-Methoden vorwirft. Umgekehrt fühlen sich Menschen mit türkischen Wurzeln in vielen Alltagssituationen benachteiligt. Wo leben wir gemeinsam – und wo nur nebeneinander her? Welchen Anklang finden Hetzer, die Türken als "Kameltreiber" und Deutsche als "Nazis" verunglimpfen?
Die Generation der Gastarbeiter
Als türkische Gastarbeiter vor 60 Jahren nach Deutschland kamen, wollten die meisten nur drei, vier Jahre bleiben. Die Koffer für die Abreise lagen griffbereit auf dem Kleiderschrank. Die Frauen und Männer der ersten Generation wollten schuften, bis das Geld reichte, um in der Türkei einen Traktor, ein Feld oder ein Häuschen für die Familie kaufen zu können. Doch Abreisekoffer verstauben inzwischen im Keller eines Eigenheims, das in einer deutschen Reihenhaussiedlung steht. Aus ein paar Jahren sind sechs Jahrzehnte geworden.
Die meisten Türken sind mittlerweile gut integriert, so der neue Religionsmonitor der Bertelsmann Stiftung. Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen kommt in einer Studie, in der deutsche Jugendliche befragt wurden, aber zu einem anderen Ergebnis: Türken rangieren auf dem letzten Rang der Beliebtheitsskala ausländischer Mitbürger - hinter Schweden, Italienern, Schwarzafrikanern und Osteuropäern. "Die Türken wünschen sich mehr Kontakt zu den Deutschen, aber die Deutschen zeigen ihnen die kalte Schulter", sagt Institutsleiter Pfeiffer.
Wenig Wissen, viele Vorurteile
Woran liegt es, dass sich Deutsche und Türken offenbar immer noch so schwertun miteinander? Ohne Frage: Es gibt viele Türken und Deutsche, die ein gutes Verhältnis pflegen, zusammen Sport machen oder am Arbeitsplatz kollegial zusammenarbeiten. Fakt ist aber auch: Viele haben kaum Kontakt zum Gegenüber, wissen wenig übereinander und sind voller Vorurteile.
Genau da setzt die "ZDFzeit"-Dokumentation an. In vier Kapiteln analysiert sie die Bedeutung der Religion, die Ausbildungs- und Arbeitswelt, Ehe und Familie und die Rolle der Politik.
Mit gezielten Experimenten erkundet die Dokumentation, ob sich im Alltag oft genannte gegenseitige Vorurteile bestätigen oder widerlegt werden. So beobachtet etwa ein Kamerateam junge Türkinnen beim Ausgehen am Wochenende. Spielt beim Flirt der ethnische Hintergrund eine Rolle? Gehen junge Leute völlig entspannt miteinander um, oder gibt es auf beiden Seiten immer noch Vorbehalte und Ablehnung?
Türken und Deutsche - eine Vergleichsstudie
Neben solchen situativen Alltagsbeobachtungen hat "ZDFzeit" im August 2018 in einer aufwendigen Studie unter türkischstämmigen Mitbürgern repräsentative Meinungen zu verschiedenen Aspekten dieser sehr speziellen Nachbarschaft eingeholt und mit denen der deutschen Gesamtbevölkerung verglichen. Befragt wurden sie zu den Themen Integration, Ehe und Partnerschaft, Religion und interkulturellen Beziehungen.