Der preisgekrönte deutsche TV-Journalist und Putin-Biograf Hubert Seipel hat für seine Arbeit Hunderttausende Euro aus Russland erhalten und dies vor dem NDR, seinem Buchverlag und der Öffentlichkeit verborgen. Das zeigen vertrauliche Dokumente aus Zypern, die das ZDF und der "SPIEGEL" im Rahmen der internationalen Recherche "Cyprus Confidential" ausgewertet haben.
Sponsorenvertrag über Hundertausende Euro
Demnach unterschrieb Seipel einen "Sponsorenvertrag" für ein Buchprojekt, im Original "Deed of Sponsorship" genannt, der mit 600.000 Euro sehr großzügig honoriert wurde. "Der Autor schreibt ein Buch über das politische Umfeld in der Russischen Föderation, das im Jahr 2019 veröffentlicht werden soll", heißt es in dem Vertrag aus dem März 2018. Und weiter:
Zudem sollte Seipel "logistische und organisatorische Unterstützung" während seiner Recherche in Russland erhalten.
Seipels "Sponsor", sein Vertragspartner, ist laut Vertrag eine Briefkastenfirma namens De Vere Worldwide Corporation, die ihren Sitz auf den Britischen Jungferninseln in der Karibik hat. De Vere gehört augenscheinlich zum Firmengeflecht des russischen Oligarchen und langjährigen TUI-Großaktionärs Alexej Mordaschow, den die Europäische Union im Februar 2022 wegen seiner Nähe zu Wladimir Putin sanktionierte. Ein handschriftlicher Vermerk auf dem Vertrag mit Seipel legt außerdem nahe, dass es eine ähnliche Vereinbarung für eine Putin-Biografie bereits im Jahr 2013 gab. Seipel ist damit der erste renommierte westliche Journalist, von dem bekannt wird, dass er aus Putins Umfeld bezahlt wurde.
Journalist räumt "Unterstützung" durch Oligarchen ein
Seipel, der für das NDR-Fernsehen Putin mehrfach interviewte, räumte auf Anfrage "Unterstützung" durch Alexej Mordaschow ein. Der mittlerweile sanktionierte Oligarch habe jedoch keinen Einfluss auf den Inhalt seiner Bücher gehabt, so Seipel. Tatsächlich heißt es im Vertrag, der Autor habe keinerlei "Verpflichtungen gegenüber dem Sponsor in Bezug auf das Projekt (weder in Bezug auf den Inhalt oder die Zusammensetzung des Buches noch in anderer Hinsicht) oder dessen Fertigstellung".
2015 erschien die Biografie "Putin. Innenansichten der Macht". Und 2021 dann "Putins Macht. Warum Europa Russland braucht". Beide Bücher wurden von Hoffmann und Campe veröffentlicht, einem renommierten Hamburger Buchverlag. Der Verlag und auch der NDR erklärten, nichts von den Zahlungen gewusst zu haben und die Vorgänge intern prüfen zu lassen, auch im Hinblick auf rechtliche Schritte. Die ARD verwies auf das Statement des NDR und wollte sich nicht weiter äußern, ebenso die russischen Beteiligten bis hin zu Wladimir Putin.
Internationales Rechercheprojekt
"Cyprus Confidential" ist eine von ZDF, "SPIEGEL" und dem International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) angestoßene Recherche, die fragwürdige Geschäfte des EU-Landes Zypern aufdeckt. An den Recherchen zu "Cyprus Confidential" waren weltweit mehr als 270 Journalistinnen und Journalisten aus 69 Medienhäusern beteiligt, neben frontal unter anderem auch die "Washington Post", der britische "Guardian", der österreichische "Standard" und das Recherchenetzwerk "Tamedia" aus der Schweiz.