Seilbahn und Flugtaxi - Wege aus dem Verkehrskollaps?

Die Seilbahn in La Paz

Von Christine Elsner, ZDF Umweltredaktion

Es ist überall auf der Welt das gleiche Bild: Verstopfte Innenstädte, permanenter Lärm, verpestete Luft. Seilbahnen sind die naheliegende Lösung im Verkehrschaos. Gegenwärtig leben 55 Prozent der Weltbevölkerung in Städten. Diese Zahl wird sich bis zum Jahr 2050 auf etwa 70 Prozent erhöhen – so die Angaben des aktuellen Bevölkerungsberichts der Vereinten Nationen. Die Entwicklung führt zu einer ungeplanten Ausdehnung der Megacities in Südamerika, Afrika und Asien. Doch schon jetzt droht vielen boomenden Städten der Verkehrsinfarkt. „Die einzige Möglichkeit auszuweichen, wenn der Platz zu eng wird, ist nicht unter die Erde, sondern in die Luft, in die Plus-Eins-Etage“, meint Prof. Heiner Monheim, international renommierter Verkehrsplaner.    

Bildquelle: Marcel Schmitz, Blue moon media

Bild: Seilbahn in La Paz, Bolivien

Südamerika ist der Hot Spot der urbanen Seilbahnen. Sie ergänzen den öffentlichen Nahverkehr. Die Bahnen sind in Bau und Unterhaltung vergleichsweise preisgünstig und überwinden große Höhenunterschiede sowie bauliche Hindernisse. Zudem benötigen urbane Seilbahnen kaum Platz auf dem Boden. Bereits 2004 ging im kolumbianischen Medellin die erste große Seilbahn in Betrieb, um das Armenviertel an das Stadtzentrum anzubinden.  

In Boliviens Metropole La Paz entsteht derzeit das größte städtische Seilbahnnetz der Welt. Es ist ein Projekt der Superlative. Die Straßen in der zwei Millionen Stadt sind viel zu schmal und können das Aufkommen unzähliger Autos sowie Busse nicht mehr bewältigen. Das Seilbahnprojekt Teleférico bietet somit eine enorme Entlastung des Verkehrs. Inzwischen verbinden insgesamt zehn Linien La Paz im Talkessel und El Alto auf 4.100 Metern Höhe. Die Fahrgäste sind glücklich und zufrieden mit ihrer Luftbahn: „Die Verkehrsprobleme interessieren uns nicht mehr. Wir müssen von einer Seite der Stadt zur anderen kommen, etwas erledigen oder zur Arbeit fahren. Wir möchten pünktlich sein, also nehmen wir die Seilbahn“. Rund 600 Millionen Euro hat das Seilbahnnetz bislang gekostet. Die Finanzierung hat der bolivianische Staat übernommen. „Ich bin absolut davon überzeugt, dass diese Lösung in verschiedenen europäischen Städten effizient eingesetzt werden kann. Wir haben schon 65 Delegationen aus anderen Städten bei uns zu Gast gehabt“, resümiert César Dockweiler, Geschäftsführer der Telefèrico.      

Bildquelle: Marcel Schmitz, Blue moon media

Bild: Monorail in Mumbai

Weltmarktführer für Bau und Installation des schwebenden Verkehrsmittels ist ein österreichisches Unternehmen. Nach Branchenangaben gibt es aber bisweilen nur wenige Aufträge von europäischen Stadt- und Verkehrsplanern. Ein interessanter  Absatzmarkt findet sich dagegen in Afrika. Lagos in Nigeria und Mombasa in Kenia verfügen bereits über urbane Seilbahnen. U-Bahnen wären in diesen Metropolen aufgrund der Bodenverhältnisse und der Kosten nicht möglich. Zudem würde der Ausbau eines U-Bahnsystems viel zu lange dauern.

In Asien setzen Stadtplaner auf Monorail: Es sind Hochbahnen, deren Trassen auf Ständern hoch über den Straßen geführt werden. Aneinandergereihte, aerodynamische Kabinen gleiten auf Betonbalken über den Großstadtverkehr. Form und Aussehen der Bahnen ähneln dem Transrapid, und sie fahren sehr geräuscharm. Durch Leichtbauweise wird Energie eingespart, und somit die CO2-Emission gesenkt. Ein wichtiger Faktor, um die Luftqualität der Städte zu verbessern. Im Vergleich zu herkömmlichen Schienenbahnen braucht die Monorail halb so viel Platz auf dem Boden. Gondel bzw. Kabine statt Auto - Seilbahnexperten sehen in den Transportwegen in der Luft eine wichtige Ergänzung des öffentlichen Nahverkehrs, die einen wertvollen Beitrag zur Bewältigung des Verkehrsinfarkts leisten kann.

Bildquelle: dpa

Bild: Seilbahn in London

Englands Hauptstadt London hat seit 2012 eine urbane Seilbahn.

Im französischen Toulouse wird derzeit eine Seilbahn als Ergänzung des öffentlichen Nahverkehrs gebaut.

Die österreichischen Städte Linz und Graz denken zumindest über eine Stadtseilbahn nach.

In Wien wird aktuell über eine Seilbahn von der Donauinsel auf den Kahlenberg diskutiert.

In Italiens Hauptstadt Rom werden Stimmen nach einer luftigen Verbindung der Vororte mit dem Zentrum laut.

Im französischen Brest ging jüngst die erste Pendelbahn Frankreichs in Betrieb, die in den öffentlichen Verkehr integriert ist.


Von Christine Elsner, ZDF Umweltredaktion
 

Bildquelle: dpa

Die Dreharbeiten

Von Christine Elsner, ZDF Umweltredaktion

Eigentlich sind die Vorteile einer Seilbahn für den Verkehrsfluss offensichtlich: Sie können im Vergleich zu S- und U-Bahnen schneller gebaut werden und sind kostengünstiger. Acht Millionen Euro kostet ein Seilbahnkilometer. Dagegen kostet der Bau von einem Kilometer S-Bahn rund zehn Millionen Euro und ein Kilometer U-Bahn bis zu 250 Millionen Euro. Ein weiterer Pluspunkt der Seilbahn: Ihr elektrischer Motorbetrieb stößt keine Abgase aus, was für die Luftreinhaltung der Städte wichtig ist. Dennoch bleiben die Deutschen verkehrstechnisch gesehen beharrlich auf dem Boden.

Auch wenn Machbarkeitsstudien belegen, dass urbane Seilbahnen in Deutschland technisch möglich sind, machen Bürger und Kommunalpolitiker gegen Seilbahnen mobil. Etwa in Trier, wo man die Uni an das Stadtzentrum anbinden könnte. Doch die Bevölkerung hat sich gegen eine verkehrstechnische Revolution und für den bestehenden Busverkehr ausgesprochen. Auch in Aachen wurden Seilbahn-Pläne verworfen. In Hamburg hat ein Bürgerentscheid die Elbseilbahn abgeschmettert und in Wuppertal wurde eine Anti-Seilbahn-Initiative gegründet.

Bildquelle: Boris Becker, Blue moon media

Bild: Eine Seilbahn in Berlin-Marzahn verbindet seit 2017 die "Gärten der Welt" mit der U-Bahn- Station Kienberg.

Nur in Berlin, Koblenz und Köln sind derzeit leistungsfähige urbane Seilbahnen im Betrieb. Die Stadt-Seilbahnen in Berlin und Koblenz wurden 2017 bzw. 2011 anlässlich der jeweiligen Bundesgartenschau für touristische Zwecke in Betrieb genommen. Nach Ende der Gartenschauen verblieben sie im öffentlichen Nahverkehrsnetz und die Bevölkerung nutzt die luftigen Bahnen inzwischen ganz selbstverständlich.

Bildquelle: Boris Becker, Blue moon media

Bild: Modell der geplanten Seilbahn in München

Hohe Feinstaubkonzentration in der Innenstadt, dazu wenig ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen im Verkehrssektor – der Ausbau von urbanen Seilbahnen könnte beiden Problemen entgegen wirken. „Verkehrspolitik sollte Seilbahnen ernst nehmen, nicht als Alleskönner, aber als ein relevantes Mittel, um endlich aus dem Stauland Deutschland ein vernünftiges öffentliches Verkehrsland zu machen“, sagt Raumplaner und Seilbahn-Experte Prof. Heiner Monheim.

Bayern will den Kampf gegen den drohenden Verkehrsinfarkt sowie gegen die schlechte Stadtluft gewinnen. In München stehen die Autofahrer 140 Stunden pro Jahr im Stau. Stress, Zeitverschwendung und Abgase – das alles will Münchens Oberbürgermeisters Dieter Reiter nicht länger hinnehmen. Er fordert daher den  Bau einer Seilbahn am Stau-Hotspot Frankfurter Ring. Die Erwartungen sind groß: „Derzeit schauen in Deutschland ganz viele Städte nach München, ob und wie wir das hinkriegen, weil es natürlich Einwände gibt, von Bürgerinnen und Bürgern, die sagen: Ich mag das nicht, dass da eine Gondel an meinem Fenster vorbei fährt“, sagt Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter. Eine Simulation verdeutlicht derzeit, wie die Seilbahnstrecke in einer Höhe von bis zu 60 Metern über die Häuser führen könnte - die Gondeln würden über die Staus hinweg schweben. Geplante Länge der Seilbahnstrecke: 4,5 Kilometer. Auf dem Mittelstreifen der Straße wäre Platz für die Stützen vorhanden. Den Planungen entsprechend soll sie im Jahr 2023 fertiggestellt sein. Doch ob das vielversprechende Projekt wirklich umgesetzt wird, steht momentan noch in den Sternen.

Bildquelle: bauchplan

Denkmalschutzgründe, Schattenwurf, Verschandelung des Stadtbildes – all diese Bedenken bremsen den Bau von Seilbahnen in Deutschland aus. Sozialforscher erklären diese Abwehrhaltung gegenüber den Seilbahnkonzepten mit der Bewahrer-Mentalität. Es gilt das Motto: Was man hat, ist schon das Beste. Ein Zeitgeist, der dem Stauland Deutschland nicht hilft.        


Von Christine Elsner, ZDF Umweltredaktion

Prof. Heiner Monheim, Verkehrsexperte

Prof. Heiner Monheim, Verkehrsexperte

Prof. Heiner Monheim, Verkehrsexperte

Prof. Heiner Monheim, Verkehrsexperte

Prof. Heiner Monheim; Verkehrsexperte

Prof. Heiner Monheim, Verkehrsexperte

Prof. Heiner Monheim, Verkehrsexperte

Prof. Heiner Monheim, Verkehrsexperte

Prof. Heiner Monheim, Verkehrsexperte