Kindergrundsicherung: "Verhandlungen haben sich gelohnt"

    Minister zu Kindergrundsicherung:Paus: Harte Verhandlungen haben sich gelohnt

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    Die Ampel ist sich bei der Kindergrundsicherung einig. Ministerin Paus sieht einen Paradigmenwechsel. Laut Finanzminister Lindner könnte dies die vorerst letzte Sozialreform sein.

    Die Ampel-Koalition plant bei der Kindergrundsicherung ab 2025 laut Informationen von ZDFheute mit Mehrausgaben von zunächst etwa 2,4 Milliarden Euro. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) dankte am Vormittag Finanzminister Lindner in einer Pressekonferenz für "konstruktive" Gespräche in teils "sehr harten Verhandlungen" - "es hat sich gelohnt", so Paus.
    Die Familienministerin nannte die Ampel-Einigung in der Bundespressekonferenz die "umfassendste sozialpolitische Reform seit vielen Jahren" - sie sei ein "Chancen-Projekt". Und weiter: "Mit dem heutigen Tag wird uns der Paradigmenwechsel im Kampf gegen Kinderarmut gelingen."

    Ich freue mich, dass wir mit der Einigung heute die Ampel für dieses zentrale sozialpolitische Projekt auf grün gestellt haben.

    Lisa Paus (Grüne), Bundesfamilienministerin

    Nach den 2,4 Milliarden Euro Budget im Jahr 2025 gehe sie von steigenden Aufwendungen in den folgenden Jahren auf. Anfangs hatte Paus 12 Milliarden Euro gefordert. Es sei kein Geheimnis, dass sie einen "noch großen Schritt" gegen Kinderarmut für wichtig erachte, so Paus.
    Im ZDF-Sommerinterview kündigte Christian Lindner eine schnelle Einigung an:

    Lindner: Vorerst "letzte größere Sozialreform"

    "Ich bin heute auch zufrieden", begann Finanzminister Christian Lindner (FDP) sein Auftaktstatement. Auch er dankte den anwesenden Ministern für die Verhandlungen - die Härte der Verhandlungen habe sich weniger aus der Kontroverse als aus dem komplexen Thema ergeben, so Lindner.
    Lindner betonte, es gebe mit der neuen Regelung "keine generelle Leistungsverbesserung für diejenigen, die nicht erwerbstätig sind". Ausnahme seien Alleinerziehende, das sei ihm und Paus wichtig gewesen.

    Wir geben hier einen Anreiz, dass es ab Schulantritt der Kinder eine Arbeit braucht.

    Christian Lindner (FDP), Bundesfinanzminister

    Lindner teilte mit, dass es sich bei der Kindergrundsicherung um die vorerst "letzte größere Sozialreform" handle, die noch in den Haushaltsrahmen des Bundes passe.

    Heil: "Es haben die Kinder in Deutschland gewonnen"

    Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) warnte davor, nach der Beilegung des Streits um die Kindergrundsicherung Verlierer und Gewinner in der Ampel-Koalition zu suchen. "Es haben die Kinder in Deutschland gewonnen mit dieser Einigung", sagte Heil. Es sei ein wichtiger Fortschritt im Kampf gegen Kinderarmut gelungen.
    Heil nannte die Einigung eine "große und wichtige" Sozialreform. Ziel seien Schutz und Teilhabe von Kindern am selbstbestimmten Leben, so Heil. Dies sei nicht nur eine Frage des Anstands, sondern auch eine Frage der ökonomischen Vernunft.
    Die Kindergrundsicherung stelle dafür "die richtigen Weichen".

    Grünen-Chefin Lang: "Das ist ein Anfang"

    Grünen Co-Chefin Ricarda Lang zeigt sich im ZDF zufrieden mit der Einigung: Die Regierung habe eine Antwort auf die jahrzehntelange Debatte" über Kinderarmut gefunden. Wichtig sei der Systemwandel: Von der "Holschuld" armutsbetroffener Familien, die um Unterstützung kämpfen müssten, zu einer "Bringschuld" des Staates, der Verantwortung übernehme, so Lang.
    Bei der Finanzierung der Kindergrundsicherung musste die Grüne Ministerin Paus schwere Abstriche machen: von den anfänglich geforderten zwölf Milliarden jährlich auf 2,4 Milliarden. Ricarda Lang sieht in der Einigung dennoch einen Erfolg:

    Das ist ein Anfang. Es ist ein Einstieg in den strukturellen Kampf gegen Kinderarmut in unserem Land.

    Ricarda Lang, Vorsitzende der Grünen

    "Wir haben diesen Systemwandel verankert, auf dem wir in den nächsten Jahren aufbauen können", so Lang weiter.
    Den Streit um die Kindergrundsicherung sei es Wert gewesen, sagt Ricarda Lang im ZDF-Mittagsmagazin:

    Kindergrundsicherung soll Leistungen bündeln

    In der Kindergrundsicherung sollen bisherige Leistungen wie das Kindergeld, Leistungen aus dem Bürgergeld für Kinder oder der Kinderzuschlag gebündelt werden. Durch mehr Übersichtlichkeit und mithilfe einer zentralen Plattform sollen auch viele Familien erreicht werden, die bisher wegen Unkenntnis oder bürokratischer Hürden ihnen zustehende Gelder nicht abrufen.
    "Künftig wird es nur eine Anlaufstelle für alle Kinderleistungen geben", heißt es in dem Papier. Zuständig sein soll demnach der "Familienservice der Bundesagentur für Arbeit".
    Die Familienkassen sind bereits heute etwa für die Auszahlung des Kindergelds zuständig. Zu möglichen konkreten Erhöhungen von Leistungen im Zusammenhang mit der Einführung der Kindergrundsicherung trifft das Papier keine Aussagen.

    Paus gibt Blockade gegen Wachstumschancengesetz auf

    Paus und Lindner streiten seit Monaten über die Höhe der Mittel für die Kindergrundsicherung. Paus hielt dabei mit Blick auf Kinder aus armen und einkommensschwachen Familien deutlich höhere Beträge für notwendig, als der Finanzminister bereitstellen wollte.
    Sie hatte Mitte August in dem Konflikt dann das Wachstumschancengesetz Lindners mit milliardenschweren Steuererleichterungen für Unternehmen blockiert. Nach der Einigung der Bundesregierung im Streit um die geplante Kindergrundsicherung soll nun auch das Wachstumschancengesetz auf den Weg kommen. "Von mir gibt's keine Einwände", sagte Paus.

    Sozialverband: "Keine echte Antwort"

    Der Sozialverband Deutschland (SoVD) hat die geplante Kindergrundsicherung als unzureichend kritisiert. "Das darf nur ein Anfang sein, denn dieser Kompromiss ist noch keine echte Antwort auf die grundsätzliche strukturelle Problematik von Kinder- und Familienarmut in Deutschland", sagte die Verbandsvorsitzende Michaela Engelmeier am Montag der dpa.
    SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hält Änderungen im parlamentarischen Verfahren noch für möglich. Parlament und auch SPD-Fraktion würden das ein oder andere am Gesetzentwurf möglicherweise "präzisieren", sagte er im ARD-"Morgenmagazin".
    Quelle: dpa, ZDF, AFP, epd

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