Ukraine-Krieg: Treibstoff für russische Luftangriffe

    Exklusiv

    Zerstörung mit deutscher Hilfe?:Treibstoff für russischen Bombenkrieg

    von Hans Koberstein, Frederik Obermaier, Ruben Schaar
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    Deutscher Konzern Wintershall Dea verkauft über Joint Venture Gaskondensat an Gazprom, Russlands wichtigsten Hersteller von Flugbenzin. Der liefert an Luftwaffenstützpunkte.

    Um den Bombenkrieg in der Ukraine am Laufen zu halten, benötigt Russlands Luftwaffe eine stetige Versorgung mit Treibstoff. Sonst müssten die Kampfjets und Bomber am Boden bleiben. Recherchen von ZDF frontal und "Der Spiegel" belegen, dass ein Joint Venture des deutschen Konzerns Wintershall Dea sogenanntes Gaskondensat ausgerechnet an einen der wichtigsten Hersteller von Flugbenzin für die russische Luftwaffe liefert - Gazprom.

    "Weißes Erdöl" als Rohstoff für Flugbenzin

    Gazprom steht unter der Kontrolle des Kremls, ist der wichtigste Flugbenzin-Hersteller Russlands und gleichzeitig Partner von Wintershall Dea, einem deutschen Erdöl- und Erdgasproduzenten. Der beutet mit seinen Joint Ventures gemeinsam mit Gazprom in Westsibirien Gasfelder aus und fördert dabei große Mengen Gaskondensat, ein Beiprodukt. Fachleute nennen das Gemisch flüssiger Kohlenwasserstoffe auch "Weißes Erdöl".
    Das Gaskondensat wird laut Wintershall Dea "direkt ab Bohrloch" an Gazprom übergeben. Wintershall Dea räumt ein, keinen Einfluss auf die Weiterverarbeitung des geförderten Gaskondensats zu haben:

    Eine Verwendung ausschließlich zu zivilen Zwecken ist allerdings nicht zu garantieren.

    Wintershall Dea

    Es werde "zu vielen verschiedenen petrochemischen Produkten weiterverarbeitet", so das Unternehmen.
    Eine Montage zeigt Roman Abramowitsch, Wladimir Putin und Oleg Deripaska (von links) vor dem Kreml in Moskau. Links eine in Streifen angedeutete russische Flagge.
    Oligarchen: Sie herrschen über Firmenimperien und leben in Luxus. Ihren Reichtum verdanken sie dem Chaos der sich auflösenden UdSSR in den 1990er-Jahren.01.11.2022 | 51:28 min

    Wintershall Dea weist Vorwürfe zurück

    Wird Gaskondensat auch für die Herstellung von Flugbenzin verwendet, das in russischen Jagdbombern zum Einsatz kommt, die ukrainische Städte bombardieren und Zivilisten töten? Wintershall Dea hält einen solchen Zusammenhang für konstruiert weist ihn als "unzutreffend" zurück. Der deutsche Konzern stellt fest: "Unsere Joint Venture Gesellschaften in Russland beliefern nicht das russische Militär mit Gaskondensat." Das sei außerdem nicht für Militärjets geeignet. Vielmehr verurteile man den Angriff Russlands auf die Ukraine, heißt es aus der Konzernzentrale in Kassel.
    Recherchen von "Der Spiegel" und ZDF frontal ergeben: Gaskondensat ist für die Herstellung von Flugbenzin grundsätzlich geeignet. Ausgewertete Frachtdaten russischer Züge und interne Gazprom-Dokumente geben Einblick, wie Gaskondensat zu Weiterverarbeitungsanlagen geflossen ist. Die Spur führt zur Gazprom-Raffinerie in Omsk, Russlands größter Chemiefabrik für Flugbenzin.

    Spur über Omsk zu russischen Jagdbombern

    "Der Spiegel" und ZDF frontal konnten Lieferungen von Flugbenzin aus Omsk zu mindestens neun russischen Militärflughäfen nahe der ukrainischen Grenze nachvollziehen. Unter anderem nach Morosowsk und Woronesch.
    Dort sind Suchoi-Bomber stationiert, die mit Angriffen auf zivile Ziele in der Ukraine in Verbindung gebracht werden. So sollen mit Flugzeugen der Stützpunkte unter anderem Zivilisten in Tschernihiw und Mariupol bombardiert worden sein. Amnesty International und Human Rights Watch sprechen von Kriegsverbrechen.
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    Die Straße des Todes: ZDF Frontal-Recherchen zeigen, wie russische Truppen an einer Autobahn nahe Kiew flüchtende Zivilisten getötet haben.07.07.2022 | 44:39 min

    Ukrainisches Justizministerium fordert Untersuchung

    Die stellvertretende Justizministerin der Ukraine fordert Wintershall Dea auf, seine Russland-Geschäfte zu beenden: "Die deutsche Regierung sollte eine ordentliche Untersuchung durchführen."

    Wenn sich aus der Aktivität von Wintershall Dea ein Kriegsverbrechen herausstellt, dann sollte der Fall dem Internationen Strafgerichtshof übergeben werden.

    Iryna Mudra, stellvertretende Justizministerin der Ukraine

    Ermittler müssten dann klären, ob und wie sehr Wintershall Dea tatsächlich verstrickt ist in den russischen Angriffskrieg. Der Mineralölkonzern im Mehrheitsbesitz des Chemieriesen BASF prüft indes eine rechtliche Trennung von seinem Russland-Geschäft. Russland zu verlassen, wie es andere Mineralölkonzerne getan haben, sei rechtlich nicht so einfach, erklärt Wintershall Dea. "So verrückt es klingt, es braucht für die Abgabe oder Veräußerung von Unternehmensanteilen in Russland die Genehmigung des russischen Präsidenten."
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    Russland greift die Ukraine an
    :Aktuelles zum Krieg in der Ukraine

    Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.
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