Auch der zuverlässigste Schlagzeilenproduzent des Weltfußballs braucht mal eine Pause. Cristiano Ronaldo urlaubte auf den Balearen, der Nachrichtenfluss von dort beschränkte sich auf Privates: Fotos von seinen neuen, anonym ausgetragenen Zwillingen; die Bestätigung, dass die aktuelle Freundin Georgina bald sein erstes Kind mit bekannter Mutter zur Welt bringen wird; und die seinem siebenjährigen Sohn Cristiano Junior in den Mund gelegte Hoffnung auf insgesamt sieben Geschwister.
Medienansturm in der Madrider Vorstadt
Heute war es allerdings vorbei mit der Familien- und Ferienidylle. Gegen elf Uhr fuhr Ronaldo in einem Auto mit getönten Scheiben in die Tiefgarage des Amtsgerichts im Madrider Vorort Pozuelo de Alarcón - vorbei an rund 200 wartenden Journalisten und 40 Kameras. Die Anhörung hinter verschlossenen Türen begann um 11.30 Uhr und soll eineinhalb bis zwei Stunden dauern. Journalisten durften nicht dabeisein. Der Fall Ronaldo befindet sich noch im Frühstadium, und in dem finden Vernehmungen grundsätzlich vor geschlossener Tür statt. Nach dem spanischen Rechtssystem hat Richterin Mónica Gómez Ferrer durch Anhörung aller Seiten zunächst über die Einleitung eines Prozesses zu entscheiden.
Staatsanwaltschaft und Finanzamt bezichtigen den Spieler der Steuerhinterziehung in Höhe von 14,7 Millionen Euro. Über ein Geflecht von Scheinfirmen soll er "willentlich und wissentlich" betrogen haben - so steht es in der Anzeige, die im Juni bei Gericht deponiert wurde. Ronaldo drohen bis zu sieben Jahre Haft, sollten sich nicht strafmildernde Umstände wie etwa ein umfassendes Schuldeingeständnis ergeben. Für die geringere Summe von 4,1 Millionen Euro wurde der fünffache Weltfußballer Lionel Messi zu 21 Monaten Gefängnis verurteilt. Weil das Strafmaß unter zwei Jahren lag, wurde es zur Bewährung ausgesetzt. Bei Ronaldo wäre das nicht möglich, dafür sind die in Frage stehenden Beträge aus den Jahren 2011 bis 2014 zu hoch.
Unschuldsbeharrung oder ein Vergleich?
Die Verteidigungslinie von Ronaldos Anwaltsteam ist bislang ein Inkognito. Der Spieler fühlt sich unschuldig und soll daher ursprünglich wenig geneigt gewesen sein, sich auf einen Vergleich einzulassen, wie es ihm unter anderem sein Verein Real Madrid empfohlen haben soll. Angeblich plant Ronaldo nach der Aussage am Montag auch ein öffentliches Statement vor dem Gerichtsgebäude. Die Journalisten könnten also auch ohne Tribünenplatz auf ihre Kosten kommen.
Mit ihnen warten auch Millionen Real-Fans auf eine Erklärung des Stars - nicht nur zu steuerrechtlichen Fragen. Der in der ersten Empörung nach der Anzeige angedrohte Vereinswechsel scheint zwar de facto vom Tisch. Ein öffentliches Bekenntnis zu Real wird Ronaldo irgendwann trotzdem nachschieben müssen, nachdem seine Abwanderungsgedanken den Champions-League-Sieger wochenlang in Atem hielten.
Ronaldo und Real brauchen sich noch
Reals Präsident Florentino Pérez versicherte ihm seinerzeit in Interviews den Glauben an seine Unschuld wie das Verständnis für seine emotionale Reaktion. Diese väterliche Fürsorge dürfte ebenso zu seiner Besänftigung beigetragen haben wie fehlende Interessenten an dem Mega-Transfer eines 32-Jährigen und die Erkenntnis, sich mit einem Abgang von Real nur zu verschlechtern.
Dass ihn umgekehrt auch Real weiter braucht, demonstrierte die Königlichen zuletzt bei Testspielpleiten gegen den FC Barcelona und Manchester City. Zum Wochenende soll Ronaldo wieder ins Training einsteigen. Der europäische Supercup am kommenden Dienstag gegen Manchester United kommt dann wohl noch zu früh, sein erster Einsatz wird für den spanischen Supercup gegen Barcelona (13. und 16. August) erwartet.