Junge Menschen unter 30 leiden deutlich häufiger unter psychischen Problemen als die vorherigen Generationen. Jede zehnte Person im Alter zwischen 14 und 29 befindet sich in psychologischer Behandlung. Diese Altersgruppe ist es auch, die die meiste Zeit auf Social Media-Plattformen verbringt. Ob ADHS, Depressionen, Panikattacken oder Angststörungen – Mentale Gesundheit ist dort längst kein Tabuthema mehr. Allein auf TikTok gibt es unter dem Hashtag #MentalHealth rund 21 Millionen Beiträge. Bieten Soziale Medien echte Hilfe bei psychischen Belastungen? Oder ist es gefährlich, wenn echte Erkrankungen und Lifestyle-Themen verschwimmen?
Erleichterter Zugang zu Informationen
Vanessa hat mit Anfang 20 die Diagnose "ADHS" bekommen. Heute macht die 29-Jährige Influencerin auf TikTok und Instagram Content über ihr Leben mit der Störung: "Ich möchte damit erreichen, dass sich Leute mit ihrer Diagnose nicht mehr so allein fühlen oder sich endlich trauen, den Weg einer professionellen Diagnose anzutreten."
Auf Social Media bekomme man zuverlässige, hilfreiche Informationen über mentale Gesundheit, wie Vanessa aus eigener Erfahrung weiß: "Nach meiner Diagnose habe ich selbst Content angeschaut, mich darin total wiedererkannt und Tipps bekommen, die ich superschnell anwenden konnte." Anders als der Wissenschaft gelinge es Content Creatern, Wissen zum Thema psychische Gesundheit über eine emotionale Ebene zugänglich zu machen: "Die Wissenschaft hatte schon immer ein Kommunikationsproblem und Social Media schafft es, viele Informationen snackable rüberzubringen."
Social Media pusht Selbstdiagnosen
Ole sieht dagegen die Gefahr, dass Mental Health-Content Menschen dazu bringt, sich selbst zu diagnostizieren: "Immer mehr junge Leute sagen mittlerweile: ‚Ich habe auf TikTok diese und jene Symptome gesehen und könnte beispielsweise ADHS oder eine Form von Autismus haben.'" Der 26-jährige Podcaster und Autor hat ein Buch geschrieben, in dem er sich kritisch mit Social Media und Influencern auseinandersetzt. Ole warnt vor den Folgen fehlerhafter Selbstdiagnosen. Diese könnten nicht nur die Realität von Betroffenen verfälschen, sondern auch psychische Erkrankungen insgesamt verharmlosen.
Für ihn sind Soziale Medien nicht der richtige Ort, um über mentale Gesundheit aufzuklären: "Für eine differenzierte Analyse derart schwieriger Themen ist das ein schlechter Ort. Wünschenswerter wäre es, wenn die Aufklärung in ausgiebigeren, weniger auf Krawall gebürsteten Formaten stattfindet."
Bei Sag's mir treffen zwei Menschen aufeinander, die Mental Health-Content in Sozialen Medien ganz unterschiedlich bewerten. Schaffen es zwei Fremde, sich trotz verschiedener Haltungen anzunähern?
Sag's mir mit den Gästen Vanessa Ebert, Mental Health-Influencerin, sowie Ole Nymoen, Autor, Podcaster und Social Media-Kritiker.