Ein Film von Nicole Blacha und Janin Renner
Programme wie ChatGPT, Midjourney, DALL-E 2, Stable Diffusion, Murf AI oder GEN-2 erschaffen in einem Bruchteil menschlicher Arbeitszeit fotorealistische Bilder, Drehbücher, Filme samt KI-generierter Stimmen oder Nachrichten. Mit einem „Tsunami“ vergleicht Sprecher und Tonstudio-Besitzer Umut Dirik die derzeitige Entwicklung. Noch stünden die meisten am Strand und blickten der Welle seelenruhig entgegen: "Ich glaube, dass viele noch nicht ganz begriffen haben, was diese KI alles machen wird, wie viele Jobs sie eventuell ersetzen wird, wie viele Menschen davon betroffen sein werden“. Er selbst bekommt schon jetzt zu spüren, dass Aufträge wegbrechen. Erklärvideos, Infotexte und Telefonschleifen werden längst nicht mehr von echten Menschen, sondern von einer KI gesprochen. Wie wird sich die Technologie mittelfristig auf seinen Berufszwei auswirken? Werden die Honorare zusammenschmelzen oder kaum noch Aufträge an Sprecher*innen vergeben?
KI-Radio Initiator und Informatiker Thore Laufenberg ist begeistert von der rasanten Entwicklung: "Das ist unfassbar, dass man Radio machen kann, ohne dass da ein Mensch für arbeitet. Das finde ich bombastisch“. Dank KI hat er eines der weltweit ersten KI-Webradios programmiert. "The Rock! Radio Helgoland“ läuft vollautomatisch und ohne Menschenpower. Das heißt: Computer und KI-Software steuern das Programm. Seit März versorgt der kleine Sender die ganze Welt via Netz mit Neuigkeiten rund um die Insel Helgoland.
Auftragseinbußen und Bilderklau
Die Kinderbuch-Illustratorin Gila von Meissner hat das Potenzial hinter dem KI-Hype erkannt und nutzt Bildgeneratoren wie Midjourney, die aus Stichworten sekundenschnell Bilder schaffen und ihre Arbeitszeit für ein Buch erheblich reduzieren: "Ich würde normalerweise ungefähr drei Monate für ein Kinderbuch brauchen. Mit KI schaffe ich das in einer Woche.“ Doch nicht alle stimmt die KI-Entwicklung euphorisch. Der polnische Künstler Greg Rutkowski beklagt Auftragseinbußen, massenweise Kopien seines Stils und Bilderklau: "Wir als Opfer der ersten Stunde fühlen uns benachteilig, weil uns niemand um Erlaubnis gebeten hat. Ich mache mir Sorgen um meine Zukunft.“ Als er herausgefunden hat, dass seine Werke - ungefragt und unvergütet - dazu benutzt worden sind, um KI-Programme zu trainieren, hat er sich einer Sammelklage angeschlossen. Der Vorwurf: Urheberrechtsverletzungen. Auch Getty Images führt aus demselben Grund einen Rechtsstreit gegen das Software-Unternehmen Stability AI. Jurist*innen sind sich einig: Das ist erst der Anfang einer Klage-Welle.
Aber dürfen Tech-Unternehmen überhaupt ungefragt die Werke von Künstler*innen benutzen, um ihre KI’s zu füttern? Und wie viel Mensch muss in mithilfe von KI-generierten Werken stecken, um urheberrechtlich geschützt zu sein? Und vor allem: Wie können sich Künstler*innen vor dem "KI-Bilderklau“ rechtlich schützen?
Deep Fake Inhalte fluten das Netz
In den falschen Händen kann die Technologie jetzt schon fatale Folgen für Demokratie und Sicherheit haben. Täuschend echte KI-generierte Deep Fake Inhalte fluten bereits jetzt das Netz. Lässt sich in Zukunft noch zwischen Fake und Original unterscheiden? Ende März forderten hunderte Forscher und Unternehmer in einem offenen Brief einen halbjährigen Entwicklungsstopp von besonders leistungsfähiger KI. Ihr Warnruf: Das Tech-Wettlaufen sei außer Kontrolle geraten und könne "tiefgreifende Risiken für die Gesellschaft und die Menschheit darstellen“.
Auch der Deutsche Ethikrat mahnt: "KI darf den Menschen nicht ersetzten“. Informatikprofessor und Stable Diffusion Miterfinder Björn Ommer von der Ludwig-Maximilians-Universität München sieht ebenfalls ethische Herausforderungen: "Natürlich müssen wir uns darüber Gedanken machen, wo wir mit der Entwicklung von künstlicher Intelligenz hingehen wollen, ob der Mensch geschützt werden sollte.“ Obwohl Politiker*innen und Kreative auf Tempo drängen, um die Übermacht der KIs einzudampfen, hinken wir als Gesellschaft noch hinterher. Werden wir es schaffen, Kreative und ihre Arbeit frühzeitig zu schützen? Und welche Konsequenzen wird die KI-Revolution langfristig für die Kreativbranche haben?
Die Kulturdokumentation "Kollegin KI übernimmt" zeigt die konkreten Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz auf die Arbeit von Kreativschaffenden und wirft gleichzeitig wichtige ethische und rechtliche Fragen auf. Neben den direkt betroffenen Kreativen kommen Forschende wie KI-Expertin Tina Klüwer und die Rechtsanwältin Marieke Merkle zu Wort, die die KI-Revolution einordnen.