Mit Sorge blicken Demokratinnen und Demokraten auf das Superwahljahr 2024. Die Befürchtung ist groß, dass antidemokratische Kräfte großen Zuspruch an den Wahlurnen erhalten könnten. Doch warum ist die liberal-repräsentative Demokratie so unter Druck geraten?
Scheitert die demokratische Politik an der Wirklichkeit?
Politikwissenschaftler Veith Selk hat ein Buch über die "Demokratiedämmerung" geschrieben. Darin erklärt er, was passieren könnte, wenn die Bürgerinnen und Bürger das Vertrauen in das Funktionieren der Demokratie verlieren. Das politische System könnte sich in einer Übergangsphase befinden, hin zu mehr Autokratie oder zu mehr 'Expertokratie'. Aber auch das 'Weiterwurschteln' mit einer wachsenden unzufriedenen Bevölkerung und einer Zunahme von antisystemischen Protesten sei möglich. Er sieht die Gefahr einer Demokratiedämmerung. Verschwindet die Demokratie schleichend? Bundesweit ist die Stimmung beunruhigend: Laut Studien haben fast 70 Prozent der Deutschen eher kein Vertrauen mehr in die politischen Parteien. Die Historikerin Hedwig Richter erläutert, wie sich das Verhältnis von Eliten und Bevölkerung in der Geschichte der Demokratie entwickelt hat: "Ein ganz wichtiger Grund ist, dass um 1800 klar wurde, dass man keinen modernen Staat machen kann, ohne die Bevölkerung mitzunehmen, ohne sie zu integrieren. Es hat tatsächlich gut funktioniert, dass Menschen, wenn sie mitbestimmen dürfen, sich dann auch eher zuständig fühlen.”
Demokratie für alle neu gestalten
Wir fragen, was es heißt, "an die Demokratie zu glauben". Was steckt hinter der Idee? Mit dem Comedian Abdelkarim, der auch für die Bundeszentrale für politische Bildung arbeitet, besucht Host Jo Schück die Demokratieausstellung der Bundeskunsthalle in Bonn und geht dem Prinzip und der Geschichte der Volkssouveränität auf den Grund: "Ich bin der Meinung, dass man noch sehr viel retten kann. indem man sich engagiert. Man muss sich aber darüber im Klaren sein, dass es hart wird, es gibt keine einfachen Antworten.” Ein Blick in den Kommunalwahlkampf im südthüringischen Hildburghausen ist ernüchternd. Hier zeigt sich: Der Glaube schwindet, dass Parteien ein tragendes Element im politischen System der Bundesrepublik sein sollten. Viele Menschen lehnen die etablierten Parteien ab und wenden sich Wählerbündnissen zu. Jetzt hat es sogar ein Neonazi in die Stichwahl für den Landratsposten geschafft. Kristin Obst saß mal für die CDU im Landtag. Ihr Direktmandat verlor sie schon 2019 an die AfD. Jetzt kandidiert sie als Landrätin – aber parteilos. Aus der CDU ist sie ausgetreten: "Ich hatte tatsächlich häufig Negativstimmung, als ich noch in der CDU war." Seit sie parteilos unterwegs ist, spürt sie keine Anfeindungen mehr.
Eine Liebeserklärung an die Demokratie
Auch Kulturschaffende engagieren sich - vom Höhenflug der rechten Parteien alarmiert - zunehmend für Demokratiewerbung. Musiker wie die Beatsteaks, Paula Carolina und Madsen sprechen mit Jo Schück über die Verantwortung von Künstlerinnen und Künstlern angesichts der Bedrohung von Rechts für das demokratische System. Doch lässt sich die Demokratie überhaupt als nationalstaatliches Konzept aufrechterhalten? Jo Schück ist dafür mit dem EU-Abgeordneten und Satiriker Nico Semsrott in Brüssel unterwegs: "Engagiert sind europaweit extrem viele Menschen für die Demokratie. Nur weil die Rechtsextremen am lautesten und krassesten sind, heißt das überhaupt nicht, dass sie die Mehrheit sind.“ Semsrott rechnet mit dem seiner Ansicht nach korruptionsanfälligen Brüsseler Apparat ab - und macht zugleich der europäischen Demokratie eine Liebeserklärung.
Stab
- Moderation - Jo Schück
Die nächste aspekte-Sendung gibt's am 7. Juni ab 21 Uhr in der Mediathek. Thema: Die Zukunft des Flughafens Tempelhof. Moderation: Katty Salié.