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Kitsch. Warum wir ihn hassen - und lieben!

In düsteren Zeiten hat auch das Süßliche und Niedliche Hochkonjunktur. Warum sind wir so fasziniert vom Kitsch? Ist er verlogen? Wohltuend? Oder beides?

Videolänge:
43 min
Datum:
08.11.2024
:
UT
Verfügbarkeit:
Video verfügbar bis 06.11.2025

"Kitsch" - das ist angeblich das Gegenteil von "echter", "wahrer" und "großer" Kunst. Aber wo verläuft die Grenze? Wer zieht sie überhaupt und warum? Steckt in der Abwertung des Kitsches nicht auch ein Stück Elitedenken und Snobismus?

Vom München- bis zum Trump-Kitsch

Die Autorin und Filmemacherin Jovana Reisinger
Die Autorin und Filmemacherin Jovana Reisinger

Katty Salié besucht eine Stadt, die in allen Rankings zu den romantischsten Städten Deutschlands gezählt wird: München. Mit standesgemäßem Gefährt - einer seidenblumengeschmückten Kutsche mit zwei Schimmeln - sammelt sie die Autorin und selbsternannte "Tussi" Jovana Reisinger auf, die gerade mit "Pleasure" ein Manifest für den Glamour, die Völlerei und den Kitsch veröffentlicht hat. Denn auch wenn Kitsch von vielen verachtet wird - von anderen wird er umso begeisterter umarmt.

Kitsch ist die Domäne des Trivialen. Er überfordert und überrascht nicht. Er bietet in schweren Zeiten einen Fluchtort des harmlos Vertrauten. Stereotype Schemata sagen einem auf den ersten Blick, welche Emotion hervorgerufen werden soll: Abendrot am Strand?

Katty Salié und der Künstler Bernhard Ludwig Rieger
Katty Salié und der Künstler Bernhard Ludwig Rieger

Katty trifft den Künstler Bernhard Ludwig Rieger. In der Ausstellung "Magic Bavaria" hat er einige Räume mit Alpin-Pop-Art gestaltet. Als traditioneller Heimatkünstler ist er auch als Lüftlmaler unterwegs.

Romantisch! Große Kulleraugen? Süß! Aber Kitsch ist nicht nur harmlos. Autokraten lieben den Prunk und das Pompöse - und sind in ihrer propagandistischen Eindeutigkeit nicht weit vom Kitsch entfernt. Der amerikanische Politik- und Kulturwissenschaftler Justin Patch sieht auch in Donald Trump eine kitschlastige Persönlichkeit - und erforscht die Tiefen des Trump-Kitsches.

Filme und Serien unter Kitschverdacht

Hat der oberflächlich harmlose Kitsch auch eine dunkle, eine böse Seite? Wie steht es zum Beispiel mit der Kunst, die im Nationalsozialismus propagiert wurde - war das Kitsch? Katty Salié fährt vor dem "Haus der Kunst" vor, dem Nazibau, der von den Münchnern "Palazzo Kitschi" getauft wurde. Im Keller finden sich einige NS-Gemälde. Die Archiv-Chefin Sabine Brantl erläutert, ab wann für sie Kunstwerke zu Kitsch werden: Wenn sie verlogen eine Scheinwelt als Realität verkaufen. Das trifft auf viele Kunstwerke der NS-Zeit zu - aber auch auf alle?

Der Schauspieler Hans Sigl
Der Schauspieler Hans Sigl

Die Nachkriegszeit war dann die Hochzeit des Kitsches. Der Heimatfilm boomte, eine bunte Bergpanoramatapete, die das verschwiegene Grauen überklebte. Bis heute stehen Alpenfilme daher unter Kitschverdacht. Alpenserien wie die ZDF-Serie "Der Bergdoktor" auch. Bergdoktor-Darsteller Hans Sigl erklärt in "aspekte", wie er gegen das Heile-Welt-Klischee des Heimatfilms anarbeitet.

Unter dem Zuckrigen lauert das Grauen

Der Künstler Martin Eder
Der Künstler Martin Eder

Kunst wird zu Kitsch, wenn sie eindeutig wird. Aber gerade deshalb wird Kitsch oft zitiert und ironisiert – und damit wieder in Kunst verwandelt, wie zum Beispiel bei Künstler Jeff Koons. In den Bildern des Berliner Malers Martin Eder lauert hinter den kitschigen Motiven - süßen Kätzchen, Regenbögen, jungen Damen in Lolita-Pose - ein unausgesprochenes Grauen.

Die Medienkünstlerin Rachel Maclean
Die Medienkünstlerin Rachel Maclean

Und auch die schottische Medienkünstlerin Rachel Maclean lässt unter der zuckrigen Oberfläche einen Abgrund ahnen. Auf diese Weise machen sie kitschige Motive wieder mehrdeutig und schwer greifbar - und damit zu großer Kunst.

Stab

  • Moderation - Katty Salié
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