"Die großen Ideale der Linken - Universalismus, Gerechtigkeit und Fortschritt - gehen in der Wokeness-Bewegung unter", sagt Susan Neiman, Direktorin des Einstein Forums in Potsdam. An die Stelle des Verbindenden unter den Menschen tritt das Unterscheidende.
Rigoros vorgehen für edle Ziele?
Entstanden ist die Wokeness-Bewegung als Reaktion auf die Polizeigewalt gegen Schwarze in den USA seit 2014. Später weitete sie sich auf ganz unterschiedliche Gruppen aus. Sie agiert vor allem über soziale Medien, aber auch durch gezielte Cancel-Culture-Aktionen, bei denen Personen oder Organisationen gezielt ausgegrenzt oder boykottiert werden sollen.
"Aktiv gegen Ungerechtigkeiten oder Rassismus vorzugehen, sei natürlich sehr zu begrüßen," so Susan Neiman weiter. Indem man sich dabei aber ausschließlich auf körperliche Identitätsmerkmale wie Rasse, Geschlecht oder Behinderung beziehe, sei diese kritische Position kaum mehr von der Identitätspolitik rechter Strömungen zu unterscheiden. Auch dort gehe es um äußerliche Merkmale und nicht um die Rechte des Menschen allgemein. Tribalismus sei weder nur links noch sei er ungefährlich.
Verbindet die Wokeness-Bewegung ihre edlen Ziele tatsächlich mit dem falschen Menschenbild, wie Neiman meint? Wie wurde es möglich, dass eine so heterogene Bewegung so viel Einfluss erlangen konnte? Und was bedeutet ihr methodisch oft rigoroses Vorgehen für die Debattenkultur und damit für die Demokratie?