Wenn sich das Laden-Sterben weiter fortsetzt und zugleich die Mieten steigen, was bleibt dann noch von einer Stadtkultur, in der sich die Menschen gerne aufhalten? Das fragt Richard David Precht Burkhard Jung, Oberbürgermeister von Leipzig und Präsident des Deutschen Städtetages.
Leere Städte, neue Ideen
Während der Corona-Pandemie wurde überdeutlich, was schon zuvor begonnen hatte. Der Online-Handel setzt den Kommunen mehr und mehr zu, frisst den stationären Handel und verödet dadurch die Innenstädte.
Richard David Precht fürchtet, dass mit den immer leereren Städten das Motiv der Bürgerinnen und Bürger verschwindet, sich dort aufzuhalten und andere zu treffen. Die Stadtkultur, die seit den Tagen der antiken Polis die Demokratie und die gemeinsame Öffentlichkeit prägt, droht zu verschwinden. Sind unsere Städte noch zu retten? Welche Maßnahmen hätten hier Aussicht auf Erfolg? Man müsste beispielsweise den Online-Handel steuerlich deutlich mehr fordern, um den realen Einzelhandel noch erfolgreich zu stützen, meint Precht.
Mehr Begegnungen, weniger Konsum
Oder muss sich die Gesellschaft wohlmöglich mit dieser Entwicklung abfinden und die Stadt und ihre Funktionen für die Zukunft neu erfinden? Was ist denn so schlimm daran, fragt Precht, wenn Innenstädte nicht mehr vom Einzelhandel und von Kaufhäusern dominiert werden? Bietet diese Entwicklung nicht mehr Möglichkeiten für sozialen und kulturellen Raum? Für eine echte Polis, in der sich die Bürger tatsächlich mit ihren Angelegenheiten beschäftigen und nicht nur konsumieren? Burkhard Jung plädiert für das Ideal der Europäischen Stadt, in der Leben, Handel und gesellschaftliches Zusammensein auch in Zukunft ihren Platz haben können.
Welchen Einfluss hat die immer stärkere Verlagerung des Konsums und des sozialen Miteinanders ins digitale Netz letztendlich auf das städtische Leben? Werden Ballungszentren überflüssig? Oder verteilen sich unsere analogen sozialen und kulturellen Aktivitäten zukünftig auf viele kleine Lebensräume, fragt Precht.
Mietpreisdeckel gegen Armut
Marode Innenstädte sind auch die Folge der immer drastischeren Schere zwischen Arm und Reich. Steigende Mieten treiben viele an den Rand der Stadt. Außer in den attraktiven Metropolen werden kleine und mittlere Städte so immer mehr zum Sinnbild einer sozialen Verwahrlosung, sagt Precht. Burkhard Jung fordert in diesem Zusammenhang, dass man die Mietpreise nicht allein dem Markt überlassen könne. Man müsse weiter über einen Mietpreisdeckel nachdenken.
Welche Ideen hat Burkhard Jung als Oberbürgermeister von Leipzig und Präsident des Deutschen Städtetages anzubieten? Wie stellt er sich eine florierende Stadt der Zukunft vor, in der soziales Miteinander, Mobilität und Klimaverträglichkeit gelingen können?