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Ist Konservativ die Zukunft?

Richard David Precht im Gespräch mit Diana Kinnert (CDU), Publizistin und Unternehmerin

In der Corona-Krise vertrauen die Bürger mehrheitlich auf die politischen Kräfte der Mitte. Erleben wir eine Renaissance des Konservatismus?

Videolänge:: 42 min
Datum:: 05.07.2020
:: UT

Verfügbarkeit:: Video verfügbar bis 12.07.2025

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Die CDU ist im Aufwind, konservative Werte finden sich auch in den anderen Parteien. Wie modern heute Konservativ sein kann, darüber spricht Richard David Precht mit Diana Kinnert, Publizistin und CDU-Mitglied.

Ist Konservativ modern?

Nicht nur die CDU ist im Aufwind, auch in vielen anderen Ländern setzen sich konservative, immer häufiger auch erzkonservative Parteien und Politiker*innen durch. Wie aber vertragen sich Traditionsbewusstsein und konservative Werte mit einer immer rasanteren Globalisierung bei gleichzeitiger Zersplitterung der Gesellschaft, fragt Richard David Precht.

Diana Kinnert, die schon mit 17 in die CDU eintrat, strebt einen „modernen Konservatismus" an, dem es gelingen soll, wieder alle Bürgerinnen und Bürger zu erreichen, und der unser Land zukunftsfähig machen soll. Sie plädiert für eine Realpolitik ohne ideologische Bevormundung. Dafür müssten die bestehenden konservativen Grundprinzipien lediglich an eine sich verändernde Gegenwart angepasst werden. Aber, fragt Precht, kann ein „moderner Konservatismus" die massiven Umwälzungen bewältigen, die uns in naher Zukunft bevorstehen? Grundlegende Reformen und gesellschaftspolitische Innovationen gehörten nicht gerade zum Markenkern der CDU. Konservatismus zeichne sich gemäß seines Vordenkers, dem Staatsphilosophen Edmund Burke, doch gerade dadurch aus, dass er auf überlieferte Institutionen und Gebräuche setzt und nicht auf radikale Neuerungen.

Konservative Politik auch für "digital natives"?

Als "digital native" weiß Diana Kinnert um die immer heterogener gewordene Gesellschaft, die sich ihre Meinung aus den Sozialen Medien holt. Vor allem die junge Generation engagiere sich ehedem lieber in ganz konkreten politischen Initiativen, als gleich einer bestimmten Partei beizutreten, so Kinnert. Sie glaube aber, dass dennoch ein verbindender Wertekanon gefunden werden kann, der konservative Politik wieder für alle akzeptierbar macht.

Richard David Precht erkennt in Kinnerts Vision allerdings schwer auflösbare Widersprüche. Bei vielen Themen, wie etwa Klimaschutz, Globalisierung, Migration und pluralistische Gesellschaft, bediene sich Kinnert doch eigentlich aus den Programmen der Grünen und Linksliberalen. Kann sie ihre Partei überhaupt von einer Strategie überzeugen, die sich im Grunde das Beste aus anderen politischen Richtungen herauspicken möchte?

Diana Kinnert wurde 1991 in Wuppertal geboren und ist die Tochter eines schlesischen Spätaussiedlers und einer philippinischen Mutter. Mit 17 trat sie in die CDU ein, war Mitarbeiterin des damaligen Vizepräsidenten des Bundestages Peter Hintze und des CDU-Generalsekretärs Peter Tauber. Unter CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak ist sie Mitglied der Bundeskommission der CDU für „Gesellschaftlichen Zusammenhalt“ und Mitglied im Bundesnetzwerk Integration der CDU.

Kinnert war in verschiedenen Kommissionen der Partei aktiv, die sich mit Reformen, gesellschaftlichem Zusammenhalt und Integration beschäftigten. Sie gründete den Jugendbeirat der Konrad-Adenauer-Stiftung und ist seit 2017 Fakultätsmitglied des europäischen Instituts für exponentielle Technologie und wünschenswerte Zukunft „Futur/io“. Seit 4 Jahren unterhält sie eine Nachrichtenplattform für grüne Innovationen. 2013 gab sie mit Wolfgang Gründinger "Das Zukunftsmanifest" heraus, in dem junge Autor*innen unterschiedlicher politischer Strömungen ihre Zukunftsvisionen formulieren.

2017 veröffentlichte Kinnert ihr Buch "Für die Zukunft sehe ich schwarz". Darin versucht sie, mit dem ihrer Meinung nach überkommenen Bild eines klassischen CDU-Mitglieds aufzuräumen und plädiert für einen modernen zukunftsfähigen Konservatismus.

Bildquelle: ZDF/Juliane Eirich

Literaturtipps von Richard David Precht

Rowohlt Verlag 2017

Mit 17 tritt sie in die CDU ein und wird zunächst wenig beachtet. Doch es dauert nicht lange, da wird die Tochter einer philippinischen Migrantin und eines Spätaussiedlers mit ihrem unkonventionellen Blick auf konservative Politik zur Mitarbeiterin des später verstorbenen Vizepräsidenten des Bundestages Peter Hintze. In ihrem Buch erzählt sie von ihrer CDU-Erfahrung und entwickelt ihre eigene Vorstellung von einem modernen Konservatismus. Unser Gast Diana Kinnert ist davon überzeugt, dass gerade aktuelle Herausforderungen wie Flüchtlingspolitik, Klimawandel oder Digitalisierung von einer liberalen und konservativen Politik gemeistert werden können. Konservativ ist für Kinnert in erster Linie eine humanistische und auch christliche Gesinnung und entspreche eben nicht dem Klischee einer blinden Beharrlichkeit auf Althergebrachtem.
Agenda für Deutschland
C. H. Beck Verlag 2019

Ähnlich wie bei Kinnert geht es dem vielgelesenen Historiker Andreas Rödder bei seinem Manifest des Konservatismus weniger um konkrete inhaltliche Positionen als um eine Abscheu gegen Radikalismus und Dogmatismus. Konservativ bedeutet für Rödder hauptsächlich, "den Wandel der Zeiten erträglich zu gestalten“. Von der Europapolitik über Migration, Umwelt und Bildung bis zum Rechtspopulismus formuliert Rödder 10 Thesen, die seine Vorstellung eines zukunftsfähigen Konservatismus beschreiben.
u.a. Hoof Verlag 2017

Durch seine ebenso brillante wie beachtete Streitschrift gegen die blutige Revolution in Frankreich gilt Edmund Burke (1729 - 1797), der irisch-britische Schriftsteller, Philosoph und Politiker, als Vater des Konservatismus. Burke sah nicht nur die Schreckensherrschaft Robespierres voraus, sondern auch das anschließende Regime Napoleons. Burke lehnte radikale Umwälzungen ab und plädierte für einen behutsamen permanenten Wandel der Verfassung. Mit Blick auf die Französische Revolution formulierte er die Kehrseite des Fortschritts und sah den Menschen viel eher an Tradition, Religion und Verfassung gebunden. "Wut und Verblendung", so schrieb er, "können in einer halben Stunde mehr niederreißen, als Klugheit, Überlegung und weise Vorsicht in hundert Jahren aufzubauen imstande sind."

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