Denn was als normal gilt, ist oft schon Sucht. Allein in Deutschland haben rund drei Millionen Menschen ein Alkoholproblem, sagen Experten. Doch der Pro-Kopf-Konsum sinkt. Nüchtern Spaß zu haben, ist längst kein Widerspruch mehr. Einige Trendsetter machen es vor.
Nathalie Stüben war jung, erfolgreich – und alkoholabhängig. Heute hat die 34-jährige Journalistin das hinter sich. Ihre Geschichte ist zu ihrer Mission geworden: Der Podcast "Ohne Alkohol mit Nathalie" soll den Hörern Mut machen, ehrlich in den Spiegel zu schauen. "Wenn wir an Alkoholabhängigkeit denken, dann haben wir ja nicht mein Gesicht im Kopf", sagt sie, "sondern wir haben ganz andere Gesichter im Kopf." In Fernsehauftritten und Zeitungsinterviews will Nathalie Stüben ihre Erfahrungen mit der Öffentlichkeit teilen – und der Sucht das Stigma nehmen.
Ob Bier, Wein oder Spirituosen – Alkohol ist eine unterschätzte Droge und gesellschaftlich akzeptiert. Renée Stulz aus Wiesbaden wurde in der Weihnachtszeit nachdenklich: "Da geht man auf den Weihnachtsmarkt, es gibt Glühwein, es sind Weihnachtsfeiern, und beim Weihnachtsessen zu Hause gibt es auch was zu trinken. Das war alles ein bisschen 'too much'." Während der siebenwöchigen Fastenzeit verzichtet sie jetzt komplett auf Alkohol, zusammen mit ihren drei Freunden Liane, Wolfgang und Marcel. Wie schwer fällt ihnen das, wenn doch alte Trinkgewohnheiten eine ständige Verlockung darstellen? Wer hält durch? Und wie wirkt sich die alkoholfreie Zeit auf Körper und Psyche aus?
Dass man beim Ausgehen auch ohne Alkohol einen schönen Abend verbringen kann, will der 52-jährige Vaughan Yates im Heimatland des Guinness beweisen. Auf den ersten Blick unterscheidet sich seine Bar in Dublin kaum von den unzähligen anderen. Das Besondere: Hinter seiner Theke gibt es keinen Tropfen Alkohol. Bei der Eröffnung vor einem Jahr hatte er deshalb Zweifel: "Es gibt keine vergleichbaren Bars, an denen ich mich hätte orientieren können." Wie hat sich das neue Konzept bewährt?
Alkoholfreies "Hochprozentiges" – das haben die Bonner Raphael Vollmar und Gerald Koenen gewagt, auf den Markt zu bringen. Was nach einer einfachen Aufgabe klingt, ist eine riesige Herausforderung, denn der Geschmack echten Gins lässt sich nicht imitieren. "Die erste Reaktion war: Das ist doch Quatsch", sagt Raphael Vollmar. "Wir wussten, dass viel Erklärungsarbeit notwendig ist und dass es kein Selbstläufer wird." Finden die Menschen wirklich Geschmack an Gin, der keiner ist? Oder an nullprozentigem Wein?
Ist "kein Alkohol" ein Erfolgsrezept? "plan b" fragt nach.