Alte Sorten finden zu neuer Blüte. Kurze Lieferwege führen vom Acker um die Ecke direkt auf den Tisch zu Hause. Und Omas Einweck-Rezepte - eine Alternative für den Winter. Die wachsende Nachfrage fordert Produzenten und Lieferanten heraus. So gedeihen neue Ideen.
Der Hype um exotische "Superfoods" ist Meike Fienitz aus Berlin schon länger ein Dorn im Auge. Gesunde Lebensmittel sind der Umweltplanerin zwar eine Herzensangelegenheit – aber bitte schön aus der Region und nicht aus Südamerika mit verheerender CO2-Bilanz. Deshalb engagiert sie sich für die Slow-Food-Bewegung und zeigt in Seminaren und Kochkursen: Heimische Lebensmittel können bei den Wirkstoffen locker mit den importierten, vermeintlichen Wundermitteln mithalten. Leinöl ist genauso gesund wie Avocado, Linsen ersetzen Quinoa, und Rhabarber ist die reinste Vitaminbombe. Sogar im Winter ist Regionales gesund – wenn es haltbar gemacht wird wie früher. Denn fermentiertes Gemüse stärkt das Immunsystem und schützt die Gefäße vor Verkalkung.
Und dennoch: Wer hätte nicht ab und an Appetit auf etwas Exotisches? Lukas Bosch und Juliane Bublitz hat dies auf eine Geschäftsidee gebracht. Aus einer Plage machen sie eine Delikatesse. Hauptzutat: invasive Tierarten wie der Amerikanische Sumpfkrebs oder die Chinesische Wollhandkrabbe, die nach Deutschland eingeschleppt wurden und sich wegen fehlender natürlicher Feinde unkontrolliert vermehren konnten. "Wir hatten hier ein Tier, das weg muss, aber lecker schmeckt", sagt Bosch. Die beiden investierten in einen Food-Truck, gründeten das Start-up "Holycrab" und verkaufen seither Feinschmecker-Burger. "Endlich mal ein Fall, in dem man nicht verzichten muss, um sich nachhaltig zu verhalten."
Milchbauer Hans Möller kam durch Kunden ins Grübeln. "Die Leute haben immer gesagt, dass ihnen diese industrielle Tierhaltung nicht gefällt." Er stellte um auf Bio. Seither dürfen seine Kälber bei ihren Müttern aufwachsen – und deren Milch trinken. Milch, die Möller nicht mehr verkaufen kann. Wegen der niedrigen Weltmarktpreise blieb ihm nicht genug zum Leben. Er begann zu recherchieren: Wie kann man regional und nachhaltig produzieren - und trotzdem ein Auskommen haben? Die Antwort: Der Biobauer gründete eine Aktiengesellschaft: die Regionalwert AG Hamburg. 50 Partnerbetriebe, darunter Gastronomen, Lebensmittelhändler, Fahrrad-Auslieferer, Nudelproduzenten und eine Fleischerei, bilden nun ein dichtes regionales Netzwerk in einem Radius von 150 Kilometern rund um Hamburg. Eine geschlossene Wertschöpfungskette, die sich gerade in dieser Zeit als besonders flexibel erweist – und ihre Mitglieder durch die Corona-Krise tragen kann.