Mit seiner Interviewreihe "Zur Person" schrieb der politische Journalist, Publizist und spätere Diplomat Günter Gaus Fernsehgeschichte. In den 32 Folgen der renommierten und Grimme-Preis-prämierten Interviewreihe, die das ZDF zwischen 1963 bis 1966 ausstrahlte, setzte Gaus Maßstäbe für einfühlsame Filmporträts von Wissenschaftlern, Politikern und Künstlern in Form des Interviews.Vollblut-Journalist
Es sind zeithistorisch aufschlussreiche Interviews mit Personen der Zeitgeschichte wie Ludwig Erhard, Willy Brandt, Franz-Josef Strauß, Edward Teller, Gustaf Gründgens, Martin Niemöller, dem jungen Günter Grass und – als einziger Frau in der Reihe – Hannah Arendt.
Gaus war als politischer Redakteur für verschiedene Tages- und Wochenzeitungen, darunter dem Spiegel und der Süddeutschen Zeitung tätig, bevor ihm das ZDF ein Gesprächsformat im Fernsehen vorschlug. Mit seiner stets gut vorbereiteten und präzisen Interviewtechnik gelangen Gaus herausragende Interviews, mit denen er ausgewählte Persönlichkeiten der Zeitgeschichte porträtierte und mit Ihnen zugleich die zeithistorischen Debatten, in denen sie eine zentrale Rolle spielten.
Qualm, Zigaretten und harte Fragen
Lange und teils ungewöhnlich nahe Kameraeinstellungen, Fokussierung auf den Interviewgast, geschliffene Formulierungen und die reduzierte, zumeist von Zigarettenrauch vernebelte Studiokulisse sind nur einige der auffälligsten Kennzeichen, mit denen sich dieses Interviewformat aus den frühen 1960er Jahren, auch stilistisch von heutigen Sehgewohnheiten abhebt.
Nach der Berufung von Gaus zum Programmdirektor des damaligen Südwestfunks 1965 wurde das Gesprächsformat zunächst im SWR, in den folgenden rund vier Jahrzehnten unter verändertem Sendetitel von wechselnden Sendeanstalten, zuletzt vom rbb, weitergeführt.
Vom Journalisten zum Diplomaten in der DDR
Im Jahr 1969 wurde Gaus Chefredakteur des "Spiegel" und blieb es bis 1973 - dann ernannte ihn Bundeskanzler Willy Brandt zum Ständigen Vertreter der Bundesrepublik in der DDR. Aus dem Journalisten wurde ein Diplomat.
Als "Chefunterhändler" der Bundesregierung vereinbarte Gaus 17 Abkommen mit der DDR, darunter die Verkehrsverträge über den Bau einer neuen Autobahn Berlin-Hamburg, den Ausbau des Teltow-Kanals Ende 1978 und die Pauschalierung der Straßenbenutzungsgebühren im innerdeutschen Reiseverkehr im Okt. 1979.
Gaus löste diese Aufgaben mit größtmöglicher Diskretion, oft zum Ärger der in Ost-Berlin akkreditierten Journalisten aus der Bundesrepublik. Mitunter geriet der engagierte Deutschlandpolitiker, der 1976 Mitglied der SPD geworden war, über seine Amtsfunktion mit der Bonner SPD/FDP-Koalitionsregierung in Konflikt, auch weil er Anfang 1977 in einem SPIEGEL-Interview die hoch sensible Staatsangehörigkeitsfrage thematisiert hatte.
Gaus starb 2004 im Alter von 74 Jahren an den Folgen des Kehlkopfkrebses. Er hinterließ seine Frau Erika, mit der er seit 1955 verheiratet war, und eine Tochter Bettina Gaus-Mbagathi (geb. 1956). "Seine kritische und mahnende Stimme wird uns fehlen", ließ der damals amtierende Bundeskanzler Gerhard Schröder in den Nachruf schreiben.