Der evangelische Theologe und Pfarrer Martin Niemöller (1892-1984) gilt bis heute als einer der profiliertesten Kirchenvertreter des Protestantismus in der Bundesrepublik. Sein wohl bekanntestes Zitat zum Nationalsozialismus zeichnet ihn, ebenso wie sein bewegter Lebenslauf, als "Mann der Widersprüche": "Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Gewerkschafter. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte."
Im Ersten Weltkrieg kämpft Niemöller noch als kaisertreuer Marinesoldat und wählt 1924 aus Überzeugung die NSDAP. Erst mit dem "Arierparagraphen" kommt es zum Sinneswandel: Er wird im Kirchenkampf aktiv und zu einem der schärfsten Kritiker der Kirchenpolitik des NS-Regimes.
Sein Verhältnis zum politischen Nationalsozialismus und der Rassenideologie bleibt ambivalent. 1934 gründet er die "Bekennende Kirche" und wird dafür im KZ Sachsenhausen interniert. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt sich Niemöller mehr und mehr zum glühenden Pazifisten und gilt noch heute als einer der prominentesten Vertreter der deutschen Friedensbewegung. 1945 wird er zum Mitglied des Rates der "Evangelischen Kirchen in Deutschland" berufen und zum Präsidenten des Kirchlichen Außenamts.
Inhalte des Interviews
1963 spricht Pfarrer Niemöller in "Zur Person" über Polemik, späte Einsichten und das Recht auf Meinungsänderung. Gemeinsam mit Interviewer Günter Gaus spannt er den Bogen vom protestantisch-nationalistischen Elternhaus, über die Zeit im Militärdienst und das spätere Theologiestudium bis hin zur politischen Opposition, dem Pazifismus und dem Widerstand gegen atomare Aufrüstung. Es zeigt sich das Bild eines bewegten Lebenswegs.
Die Sendereihe "Zur Person"
Dieses historische Interview stammt aus der ZDF-Gesprächsreihe „Zur Person“ mit Günter Gaus, die zwischen 1963 und 1966 ausgestrahlt wurde. Das ZDF macht diese zeitgeschichtlich sehr interessanten Gespräche erstmals in vollem Umfang in der ZDFmediathek zugänglich.
Die Gespräche muss man dabei im Kontext der Zeit sehen: Bestimmte Persönlichkeiten haben in späteren Jahren noch eine besondere Karriere gemacht, wie etwa Willy Brandt oder Franz-Josef Strauß. Die hier gezeigten Gespräche stellen somit ein historisches Zeugnis des Augenblicks dar, in dem das Interview geführt wurde.
Gleiches gilt auch für einige sprachliche Ausdrücke, die zum Zeitpunkt der Interviews noch nicht so in der Diskussion waren wie in späteren Jahren. Das ZDF hat sich dennoch dafür entschieden, die Interviews in der Originalversion und ohne Kommentierung zu veröffentlichen.