Vom Straßenkämpfer zum Außenminister – Joschka Fischer hat wie kein anderer "Rebell" der 68er-Bewegung den "Marsch durch die Institutionen" bewältigt. Mit Marietta Slomka blickt er zurück.
Fischer erlebte und prägte wichtige Etappen der bundesdeutschen Geschichte: ob als Sponti auf den Straßen Frankfurts, als erster grüner Umweltminister, im Deutschen Bundestag oder als Außenminister der rot-grünen Bundesregierung.
Neuer Populismus und Nationalismus
Im Rückblick distanziert er sich erneut von den gewalttätigen Ausschreitungen der Studentenbewegung in den 70er Jahren, an denen er aktiv teilgenommen hat: "Dieses Setzen auf Gewalt hat letztendlich die Studentenbewegung in einen Selbstzerstörungsprozess geführt und war aus meiner Sicht der größte Fehler, den wir und den vor allen Dingen auch ich gemacht habe."
Im Gespräch mit Marietta Slomka äußert sich Joschka Fischer aber auch zu aktuellen politischen Themen, so zum neuen Populismus und Nationalismus: "Überall entsteht neuer Nationalismus, auch bei uns. … In Deutschland kann man nicht sagen: 'Make Germany great again'. Großdeutschland war keine gute Idee, wie wir aus unserer Geschichte wissen."
Eine Übergangsphase, die noch nicht zu Ende ist
Über die Zukunft Europas sagt Fischer: "Ein Europa, das sich nationalisiert, ist keine Option für unser Land. … Durch die Wahl von Macron sind wir knapp am Desaster vorbeigeschrammt. Wäre Le Pen gewählt worden, wäre die Welt eine andere, und Deutschland stünde in einer unmöglichen Situation."
Europa muss sich für Fischer noch wesentlich weiter entwickeln: "Ich denke, es hängt allein an uns Europäern – wie sagte die Kanzlerin – ob wir unser Schicksal in die eigenen Hände nehmen, ein Stück weit. Ich meine ein großes Stück weit. Das ist die Herausforderung. Wir sind in einer Übergangsphase, die am 9. November '89 begonnen hat und immer noch nicht zu Ende ist."
Deutschlands Stärke für Europa einsetzen
Nach seiner Einschätzung sind das auch Themen, die die kommende Bundestagswahl bestimmen werden: "Es würde mich nicht wundern, wenn die Bundestagswahlen sehr stark auch durch die Außenpolitik und die Europapolitik bestimmt werden. Das würde mich übrigens sehr freuen, weil dann endlich das zentrale Thema in der Wahlentscheidung eine Rolle spielt."
Nach seinen persönlichen Wünschen gefragt, sagt Fischer: "Was ich mir wünschen würde, ist, … dass Deutschland seine Stärke für dieses Europa einsetzt und dieses Europa gemeinsam mit unserem Partner Frankreich schafft. Das wünsche ich mir auch persönlich, ich habe immerhin vier Enkelkinder, und deren Zukunft wird das dann sehr stark betreffen, weniger meine. Ein bedeutender Frankfurter Fußballlehrer sagte mal: 'Lebbe geht weiter'."