ZDFinfo-Newsletter: Jetzt anmelden und regelmäßig über das Programm informiert werden!
Der Transfer der Macht wird davon überschattet, alte demokratische Gepflogenheiten werden beschädigt. Der Konflikt aber geht darüber hinaus. Das Land ist zerrissener denn je. Experten fürchten: Die Radikalisierung seiner Bürger wird weiter zunehmen. Trauriger Höhepunkt: Der Sturm auf das Capitol – angestachelt von Präsident Donald Trump. Fünf Menschen sterben. „Trumps Erbe – Das zerrissene Amerika“ begibt sich auf Spurensuche in einem tief gespaltenen Land.
Woher kommen all der Hass und die Wut?
In Heflin, Alabama, haben 90 Prozent der Wähler im November 2020 für Donald Trump gestimmt. Im lokalen Dixie-Store von Bob Costello, Trump-Fan und stolzer Südstaatler, können sich Trump- Fans mit allem eindecken, was ihr Herz begehrt. Und sie alle sind sich einig: Sie erkennen die Wahl von Joe Biden nicht an. Und nicht einmal von Trump persönlich würden sie sich umstimmen lassen.
Trump macht schon lange vor der Wahl mit Angst und Lüge Politik. Die breite Bewegung gegen Rassismus in den USA erklärt er zur Gefahr für die Freiheit. Die böse Saat ist auf fruchtbaren Boden gefallen: Bob Costello und die Mehrheit der Republikaner fühlen sich wie Fremde im eigenen Land.
Joe Walsh, konservativer Radio-Moderator, hat selbst jahrelang zu jenen gehört, die den politischen Gegner mit allen Mitteln bekämpft haben. Walsh sitzt für die Republikaner im Repräsentantenhaus. Er unterstützte den Aufstieg Trumps. Über Obama verbreitete er, er sei kein gebürtiger Amerikaner. Heute bereut er dies – und macht sich für die Zukunft seines Landes wenig Hoffnung.
Frank Luntz ist einer der bekanntesten Umfragespezialisten in den USA. Seit Trumps Amtsantritt 2017 hat Luntz regelmäßig Zusammenkünfte organisiert und die Wählerstimmung analysiert: Am stärksten polarisiert Donald Trump das gespaltene Land auf Vertrauen in Informationsquellen und den Themen: Wirtschaft und Gleichheit bei Herkunft und Hautfarbe.
Dylan Duke Chefmechaniker in der Nähe von Heflin. Weiß, männlich - ein typischer Trump-Wähler. Doch von Trump hat er sich mehr erhofft. Dylan ist verheiratet und hat zwei Kinder. Sein Verdienst liegt nur knapp 12 Prozent über der Armutsgrenze. Eine Krankenversicherung kann er sich im Augenblick nicht leisten.
Joe Macintosh ist das einzige schwarze Mitglied der Gemeinde von Pastor Sonny Martin in Heflin. Ansonsten leben Schwarze und Weiße in weitgehend getrennten Welten. Man bleibt unter sich. Rassismus und Polizeigewalt scheinen im weißen und ländlichen Amerika eher fern und unbedeutend. Joe Macintosh versucht das mit seiner Geschichte in der kleinen Gemeinde zu ändern. Was es wirklich heißt, ein Schwarzer in Amerika zu sein, versteht hier niemand.
Norman Butler hat wie viele Amerikaner in der Covid-Krise seinen Job verloren und ist froh, dass es „Feeding America“, die größte Hungerhilfe-Organisation des Landes, gibt. Von März bis Oktober 2020 teilten sie 4,2 Milliarden Mahlzeiten aus. Denn: Jeder sechste US-Bürger ist von Ernährungsunsicherheit bedroht. Covid hat nicht nur die Krise in der Gesundheitsversorgung des Landes insgesamt verschärft, sondern vor allem in den ärmsten Regionen. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten? Für einen Großteil der Bevölkerung gilt das schon lange nicht mehr. Das Zugnetz ist miserabel, Highways immer maroder, Dämme brechen und Millionen von Amerikanern haben keinen Zugang zu sauberem Wasser.
Das Land der Drogen und der Gewalt
Gewalt und Drogen sind auf dem Vormarsch, vor allem im ländlichen Amerika. Das muss sogar Sonny Martin, der neben seinem Amt als Pastor auch Pfandleiher in Heflin ist, zugeben. Ein trauriger Rekord: Die Vereinigten Staaten sind das Land mit den weltweit meisten Drogentoten. Immer mehr Kinder müssen in Pflegefamilien, weil ihre Eltern Opioid-Abhängig sind. Alle 15 Minuten wird in den USA ein Baby geboren, das unter Schmerzmittelsucht leidet, weil die Mutter tablettenabhängig ist.
Viele Amerikaner haben es inzwischen mit der Angst zu tun bekommen. Allein im letzten Monat vor der Wahl wurden in den USA zwei Millionen Waffen gekauft. In keinem anderen Land auf der Welt besitzen die Bürger so viele Schusswaffen wie in den USA: Insgesamt 400 Millionen – über 40 Prozent aller Waffen weltweit, die in amerikanischer privater Hand sind. Für immer mehr Amerikaner sind Waffen und vor allem genug Munition die Lebensversicherung in der aufgeheizten Stimmung. Ein perfekter Nährboden auch für die hunderten schwer-bewaffneten Gruppen, wie Ex-Marine Chris Hill und seine Georgia Security Force. Sie ist Teil eines landesweiten Netzwerks und sie sehen sich als Bewahrer der amerikanischen Kultur. Traditionell ist der Staat eigentlich ihr Feind, doch in Donald Trump glauben sie einen Politiker gefunden zu haben, dem sich zu folgen lohnt.
Der Sturm auf das Kapitol war kein Zufall. Aber wird der Aufstand der Enttäuschten und Fehlgeleiteten mit der Amtsübernahme von Joe Biden beendet sein?