Deutschland ist polarisiert wie lange nicht. Der Aufstieg der AfD, das Attentat von Halle, rechte Netzwerke in Polizei und Bundeswehr, Holocaustleugner in sozialen Medien und Judensterne auf Corona-Demos. Wie groß ist die Gefahr von rechts?
Was wissen die Deutschen über den Holocaust?
Eine exklusive Umfrage im Auftrag des ZDF zeigt: Das Wissen der Deutschen hat noch immer große Lücken. Zwar wissen 77% der Befragten, dass der Holocaust die Vernichtung der Juden meint. Doch knapp ein Viertel (23%) gibt eine falsche Antwort oder weiß nichts mit dem Begriff anzufangen. Jede vierte Person (26%) gesteht ihre Wissenslücken auch ein und gibt an, wenig oder nichts über den Holocaust zu wissen.
Ein nicht unerheblicher Teil der Befragten möchte mit der Vergangenheit am liebsten abschließen. Ganze 28% stimmen der Aussage zu, die Deutschen sollten einen Schlussstrich unter die Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus ziehen.
Der Wissenschaftler Samuel Salzborn sieht bei vielen Deutschen ein Bedürfnis nach „kollektiver Unschuld“. Er sagt im Interview: „Es ist die größte Lebenslüge der Bundesrepublik zu behaupten, man habe die Schoa aufgearbeitet, sich mit dem Nationalsozialismus intensiv auseinandergesetzt.“
Tatsächlich denkt knapp die Hälfte der Befragten (47%), die meisten Deutschen damals hätten „nicht so viel“ bis keinerlei Schuld an der Vernichtung der Juden getragen. 81 Prozent der Befragten sagen, vom Holocaust hätten die meisten Deutschen nichts oder nichts Genaues gewusst.
Dass Antisemitismus auch im heutigen Deutschland ein Problem ist, glaubt nur eine Minderheit der Befragten. 78 Prozent der Befragten sind der Meinung, es gebe heute kaum bis keine Judenfeindlichkeit in Deutschland.
Stephan J. Kramer, Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, sieht akuten Handlungsbedarf: „Ich fordere von der Politik, dass wir die mittlerweile drei Antisemitismusberichte im Deutschen Bundestag, die fast jährlichen Resolutionen, ernst nehmen. Wir brauchen keine Sonntagsreden, sondern wir brauchen Action.“
Der Film geht folgenden Fragen nach:
Wie gehen die Deutschen 75 Jahre nach Kriegsende mit ihrer dunklen Vergangenheit um? Ziehen sie die richtigen Lehren aus der Geschichte? Wie stark sind die Kräfte, die gar einen Schlussstrich unter die Vergangenheitsbewältigung ziehen wollen?
Der Anschlag von Halle 2019 zeigt, dass Antisemitismus in Deutschland wieder eskalieren kann. Der angeklagte Stephan Balliet hatte sich still und leise im Netz radikalisiert. Dort kursiert auch antisemitische Hetze. Der Film wirft einen Blick auf die rechte Online-Szene und zeigt, wie sie sich in der Corona-Krise auch ganz offen mit auf die Straße wagt.
Zugleich kommen auch in staatlichen Sicherheitsbehörden, in Polizei und Bundeswehr, in Justiz und Verfassungsschutz, zunehmend rechte Tendenzen ans Licht. Was lässt sich dagegen tun? Der Film begleitet junge Polizeianwärter bei einem Rundgang durch die KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen. Dort wird die historische Verantwortung für die angehenden Polizisten spürbar.
Die deutsche Polizei verzeichnete 2019 so viele antisemitische Delikte wie seit 2001 nicht mehr. Um Vorurteile gegen Juden zu bekämpfen, gehen im Rahmen der Initiative „Meet A Jew“ junge jüdische Menschen wie Noam und Galina in Schulklassen und geben Einblicke in ihre Religion und ihr Leben. Die jungen Frauen wollen zeigen: Jüdisches Leben in Deutschland ist stark und vielfältig.
Wie sich der Holocaust auch kommenden Generationen vermittelt lässt, das erforscht in München ein Team von Wissenschaftlern um Anja Ballis. Das Team hat Holocaust-Überlebenden 1000 Fragen gestellt und sie mit modernster Technik als 3D-Projektionen aufgezeichnet. Für unseren Film testen erstmals Schüler die neue Technik.
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