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Wir schließen für immer

Einzelhändler in der Krise

von Torsten Mehltretter

Es trifft Boutiquen, Reisebüros und kleine Läden. Corona zwingt immer mehr Einzelhändler in die Knie, so heißt es. Doch der Onlinehandel war auch schon vorher eine ernste Bedrohung.

Videolänge:
30 min
Datum:
17.01.2022
:
UT
Verfügbarkeit:
Video verfügbar bis 16.01.2027

15 Prozent der Ladenflächen in den Innenstädten werden nach der Pandemie möglicherweise dauerhaft leer stehen. Das befürchtet eine Studie, an der die Deutsche Industrie- und Handelskammer beteiligt war. Viele alteingesessene Geschäfte müssen schließen.

Familientraditionen enden, Leerstand droht, die Vielfalt beim Einkauf droht verloren zu gehen. "Was mich besonders ärgert, ist, dass wir ohne Eigenverschulden in diese Situation geraten sind. Man hat einfach vergessen, dass es für uns nichts bringt, öffnen zu können, wenn gleichzeitig aber keine Feste gefeiert werden dürfen", so hadert Einzelhändlerin Nina Stäcker. In zweiter Generation führt sie das Modehaus Schumacher im schleswig-holsteinischen Linau. Das ländliche Bekleidungsgeschäft war eine Institution in der Region. Aus ganz Norddeutschland kamen die Kunden, um besondere Festtagskleidung einzukaufen. Das Ball- und Hochzeitsmodengeschäft hatte die Lockdowns zunächst überstanden. Doch dann zeigte sich: Mit den Kontaktbeschränkungen wurden viele Hochzeiten verschoben oder nur in kleinem Rahmen gefeiert. Das war das Ende.

Besonders bitter: Firmengründer Erwin Schumacher muss tatenlos mit ansehen, wie seine Stieftochter den Laden abwickelt. "Das hätte ich mir gern erspart", sagt der heute 87-Jährige, der einst als Vorzeigeunternehmer gefeiert worden war. Seine Frau Anke ist die Namensgeberin der "Trachtengalerie", die auch zu dem Modegeschäft gehört. Sie hilft ihrer Tochter in den letzten Wochen des Ladens: "Das ist auch mein Lebenswerk, das jetzt dahingeht", sagt sie unter Tränen. Der Schuldenberg war nach dem zweiten Lockdown so hoch, dass auch das Haus, in dem Anke und Erwin Schumacher noch wohnen, verkauft werden musste.

Joachim Stoll in Frankfurt am Main hat das Sortiment seines Lederwarengeschäftes lange vor Beginn der Pandemie an seine spezielle Kundschaft in der Innenstadt angepasst. So glaubte er, der Konkurrenz aus dem Netz standhalten zu können. Mit seinen Taschen, Koffern und Accessoires lockte er vor allem Geschäftsreisende und Touristen aus Asien in den Laden. Doch als Corona kam, blieben diese Kunden aus. Stoll hat sich deshalb entschlossen, den Laden, der seit 1920 im Familienbesitz ist, dichtzumachen. "Der Tourismus wird sich sicher erholen, aber ob Geschäftsreisen wieder das Vorkrisenniveau erreichen, da habe ich größte Zweifel". Vermieter von Innenstadtimmobilien sind alarmiert.

Wird die Einkaufsstraße zum Auslaufmodell? Klaus Panne besitzt Geschäftsräume im schwäbischen Reutlingen. Die Pandemie hat den Wettbewerb zwischen Einzel- und Internethandel verändert. Pannes Beobachtung: "Viele, die früher sich nicht getraut haben, online zu kaufen, haben es jetzt in der Pandemie gelernt, wie es geht." Bis zum Oberbürgermeister ist der ehemalige Ladenbesitzer gegangen, um seine Sorge über die sterbende Reutlinger Innenstadt vorzutragen. Auch Oberbürgermeister Thomas Keck sieht, wie sich seine Stadt verändert – doch er ahnt wohl, dass auch die beste Verwaltung nicht allein gegen globale Entwicklungen ankommt: "Wir stellen einen externen Citymanager ein, der dem Einzelhandel jetzt wieder auf die Beine helfen soll. Aber insgesamt werden wir nicht mehr das alte Level erreichen."

Die "ZDF.reportage" berichtet über Geschäftsaufgaben nicht nur aufgrund der Pandemie und die weitreichenden Folgen für die Innenstädte.

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