Ein Jahrhundertwerk. Ein unterirdischer Bau, dessen Kosten explodiert sind auf über neun Milliarden Euro. 60 Kilometer neue Tunnelröhren, filigran geschwungene Säulen, unglaubliche Massen an Beton und Stahl. Tausende Bauarbeiter verwirklichen hier Architektenträume.
"Was wir hier schaffen, ist einzigartig, und ich bin stolz, dabei zu sein", sagt Ehsan Atigh. Er arbeitet als Bauüberwacher auf der Riesenbaustelle. Eigentlich ist er für Beton zuständig, aber jetzt muss er für seine Kollegin einspringen, die sich den Knöchel verstaucht hat. Heißt: Er muss auch noch die Fertigstellung der letzten Kelchstütze überwachen, eine noch nie da gewesene Säulenkonstruktion, die das architektonische Wahrzeichen des neuen Bahnhofes werden soll.
Die Zeit drängt: Um die mehrfach verschobene Eröffnung einzuhalten, soll die Säule mit 350 Tonnen eingearbeitetem Stahl noch vor dem Sommer 2023 fertig werden. Eisenflechter aus der Türkei arbeiten unter Hochdruck im Zweischichtbetrieb. Und Ehsan, der aus dem Iran stammt, schaut ihnen auf die Finger. "Ich bin genau, aber trotzdem vernünftig", sagt er von sich selbst. Denn es heißt, schnell zu sein und trotzdem gründlich zu arbeiten.
"Ich will den Menschen auf der Baustelle ein Gesicht geben", sagt Peter Maile, Deutschlands einziger Baustellenseelsorger. Er kennt fast jeden Bauarbeiter mit Vornamen und packt bei den verschiedenen Trupps mit an, um die harten Kerle zum Reden zu bringen. Über ihr Heimweh, die oft kriselnden Ehen, über Konflikte auf der Baustelle. "Ich würde mir wünschen, dass es hier eine Kantine, einen Ort der Versammlung gibt", sagt der Seelsorger. Denn trotz Zehn- bis Zwölfstundenschichten verpflegen sich die Bauarbeiter selbst.
An diesem Tag kocht Peter Maile Putengulasch für die Gleisbauer. Auf einem Campingkocher, unter einem provisorischen Zeltdach. Die Männer erzählen in der kurzen Mittagspause von ihren Sorgen. Bojan fühlt sich zu Hause bei der Familie wie das fünfte Rad am Wagen. Für seine Söhne würde er gern ein richtiger Vater sein. Sein Kollege spricht wehmütig vom ersten Zähnchen seines Kindes, das er verpasst hat. Von Momenten, die nie wieder kommen. Die Menschen hinter den Maschinen würdigen, als Teil des Jahrhundertprojektes, das fehlt dem Baustellenseelsorger Peter Maile.
Hart im Nehmen, schnörkellos und kantig: Das zeichnet Tunnelbauer wie Hubert Rams aus. Im Tunnelbau ist es essenziell, Natur und Geologie nicht nur zu kennen, sondern auch zu bezwingen. Sprengen, bohren, baggern – alles höchst präzise. In Zwölfstundenschichten arbeiten sie unter der Erde, ohne Tageslicht, fressen sich mit ihren schweren Maschinen Meter für Meter durch das Gestein. Hubert Rams, ein Österreicher Anfang 60, war schon bei Tunnelarbeiten in Indien und Schweden im Einsatz, ein absoluter Fachmann auf seinem Gebiet, von denen es weltweit nicht viele gibt. Sich jederzeit auf den anderen verlassen können, darauf kommt es bei der gefährlichen Arbeit unter Tage ganz besonders an.
Die "ZDF.reportage" begleitet Menschen und Maschinen auf Deutschlands größter Baustelle und zeigt, was es heißt, unter Zeitdruck dieses gewaltige, milliardenschwere Projekt, das manche für größenwahnsinnig halten, fertigzustellen.