Die Menschenschlangen vor Tafeln und Suppenküchen haben sich vielerorts mehr als verdoppelt. Viele Hilfseinrichtungen sind am Limit. 17,3 Millionen Menschen in Deutschland waren 2022 von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht.
Denny S. kommt seit drei Jahren zur Tafel. Der 45-jährige Cottbusser ist arbeitsunfähig - infolge von langjähriger Zuckerkrankheit entwickelte er einen diabetischen Fuß. Letztes Jahr kurz vor Weihnachten musste dann sein rechter Unterschenkel amputiert werden. So lange es ging, arbeitete er als Pflegehelfer im Krankenhaus und hatte 1800 Euro netto in der Tasche. Jetzt lebt Denny am Existenzminimum, die Tafel ist ein wichtiger Teil seiner Versorgung. "Vor ein paar Monaten gab es noch deutlich mehr – auch mal Wurst oder Käse."
Seit März 2022 kommen auch viele Flüchtlinge aus der Ukraine zur Cottbusser Tafel. "Wenn plötzlich nicht mehr so viel da ist, bleibt das natürlich nicht ohne Konflikte." Kai Noack, der Leiter der Tafel Cottbus, hat die Bedürftigen daher in Gruppen aufgeteilt: Rentner, Ukrainer, Arbeitende et cetera. "So haben wir weniger Ärger."
Über 2,5 Millionen Menschen in Deutschland beziehen regelmäßig Lebensmittel von den Tafeln. Vor allem Arbeitslose, Rentner, Alleinerziehende und Großfamilien. Die Tafeln sind inzwischen eine wichtige Säule bei der Armutsbekämpfung. Das war eigentlich nie so vorgesehen. "Ursprünglich waren wir mal Lebensmittelretter und nicht Teil des Sozialsystems", sagt Inan Middelhoff. Er leitet die Tafel in Köln-Mühlheim. Er ärgert sich darüber, dass diese Einrichtungen als selbstverständlich wahrgenommen werden – von Politik und Behörden. Wie viele andere Tafeln in Deutschland auch, kommen sie in Köln-Mühlheim immer mehr an ihre Grenzen. Denn nicht nur die Zahl der Bedürftigen hat drastisch zugenommen – auch die Ressourcen werden immer knapper.
Tafeln und Suppenküchen werden ausschließlich von Spenden getragen. Vor allem Lebensmittelspenden von Supermärkten und Discountern. In den letzten Jahren hat der Handel seine Einkaufspolitik aber so optimiert, dass weniger Lebensmittel übrig bleiben. Es werden weniger Waren in die Regale gestellt, auch wenn das bedeutet, dass abends bei Rewe, Edeka und Co. die ein oder andere Lücke im Sortiment ist.
"Die Kunden akzeptieren das inzwischen. So wird ja auch weniger weggeschmissen. Aber es bleibt eben auch weniger für uns." Christine Sparr leitet die Tafel Offenbach. Im Gegensatz zu früher hat sie große Mühe, genug aufzutreiben.
Die "ZDF.reportage" "Verteilungskampf" ist eine Fortsetzung der Reihe "Armes reiches Deutschland".