Rund 35 Prozent der Alleinerziehenden sind auf Bürgergeld angewiesen. Keine andere Gruppe ist so stark armutsgefährdet wie alleinerziehende Frauen.
5.00 Uhr morgens – der Wecker klingelt. Jessica Böckings Tag beginnt. Die Krankenschwester hat oft Frühschicht. Sie pendelt von Unna nach Dortmund, an schlechten Tagen braucht sie eine Dreiviertelstunde pro Strecke. Offiziell hat sie eine 30-Stunden-Stelle, aber durch 12- oder 15-Stunden-Tage liegt ihre tatsächliche Arbeitszeit deutlich drüber. "Ich muss so viel arbeiten, sonst reicht das Geld nicht aus. Darunter leiden dann meine Kinder, die natürlich gerne mehr Zeit mit mir verbringen würden." Ihr Sohn ist 14, ihre Zwillinge sind acht Jahre alt. Ungefähr dreimal pro Woche kommt frühmorgens eine ehrenamtliche Helferin vom Projekt "Eulen und Lerchen". Sie passt auf die Kinder auf, bis sie zur Schule gehen.
Wenn Böcking Spätschicht oder Nachtschicht hat, springt ihre Mutter ein. Nach der Nachtschicht setzt Jessica ihre Kinder auch mal ein paar Stunden vor den Fernseher, um Schlaf nachzuholen. Zeit für sich selbst hat sie nie: "Ich brauche ja schon extrem viel Unterstützung, um meinen normalen Alltag zu schaffen und arbeiten zu gehen. Da werde ich bestimmt nicht fragen: 'Hey, du hast diese Woche schon fünfmal auf meine Kinder aufgepasst, kommst du noch ein sechstes Mal, damit ich ins Kino gehen kann?'"
Eine Fußballzeitschrift kaufen oder einfach mal Pizza bestellen: Das ist nicht drin für Madlen Fahrenbach und ihre drei Kinder, 12, 13 und 16 Jahre alt. Madlen ist seit elf Jahren alleinerziehend. Mit einer Halbtagsstelle, Wohngeld und Unterhalt hält sich die technische Zeichnerin über Wasser. Aber es reicht hinten und vorne nicht: "Ich möchte einfach mal einkaufen gehen, ohne darauf achten zu müssen, wie viel dann am Ende rauskommt", wünscht sie sich. Mehr als Teilzeit arbeiten kann sie nicht – aus gesundheitlichen Gründen und weil sie sich nachmittags intensiv um ihren jüngsten Sohn kümmern muss. Er hat eine sozial-emotionale Entwicklungsstörung und besucht vormittags eine Integrativschule. "Die einzige Zeit, die ich für mich habe, ist mein Arbeitsweg. Ich gehe zu Fuß und genieße diese 30 Minuten sehr", erzählt Madlen. Durchatmen ist nur selten möglich: Vor Kurzem waren Madlen und die Kinder für eine Woche in Greifswald im Urlaub. Dafür hatte sie fünf Jahre lang gespart.
Die ZDF.reportage "Alleinerziehend und abgehängt" ist eine Fortsetzung der Reihe "Armes reiches Deutschland".