Shanna hat ihre Magenschmerzen, extreme Müdigkeit und Kiefer- und Kopfschmerzen intuitiv als Vorboten eines Herzinfarktes erkannt – doch ihre Ärzte hörten ihr nicht zu, wie sie erzählt.
Biotechnologin und Immunologin Lisa Budzinski ist entsetzt, dass Shanna fast gestorben wäre, nur weil sie eine Frau ist – und deswegen ihre Symptome nicht richtig zugeordnet wurden. Sie geht auf Spurensuche: Woher stammen diese Normen in der Medizin?
Den medizinischen Standards wurde lange Zeit ein 75 Kilogramm schwerer, weißer Mann als Stereotyp zugrunde gelegt. Das weibliche Geschlecht mit seinem anderen Körperbau, Hormonstatus – und auch hormonellem Zyklus – wurde in der medizinischen Forschung bisher vernachlässigt. Wusstest du zum Beispiel, dass Medikamente zyklusbedingt unterschiedliche Wirkungen haben können?
Auch bei Autoimmun-Erkrankungen, Allergien und anderen Erkrankungen gibt es Unterschiede in der Symptomatik. Shanna ist zum Beispiel auch von einer Nebennieren-Insuffizienz betroffen, die wiederum aufgrund ihrer dunklen Haut lange nicht erkannt wurde.
Gleichberechtigung ist eben nicht Gleichbehandlung
Vera Regitz-Zagrosek, Kardiologin und Mitbegründerin der Gendermedizin in Deutschland erläutert Lisa die geschlechtstypischen Unterschiede bei Symptomen und Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Diese stehen in einem grotesken Widerspruch zu geltenden Gesundheitsstandards.
Bei einigen Erkrankungen spielen Hormone wie Östrogen und Testosteron eine Rolle. Deshalb ist die Forschung von Bioinformatikerin Dr. Sofia Forslund vom Max Delbrück Center in Berlin interessant: Sie untersucht Menschen, die trans sind und sich einer geschlechtsangleichenden Hormontherapie unterziehen. Verändert sich durch die Wirkung der Hormone ihre Gesundheitsstatistik?
Sind Geschlechterklischees lebensgefährlich?
Neben den medizinischen Normen identifiziert Lisa aber auch Klischees und Geschlechterstereotype als hinderlich für den gesunden Umgang mit Krankheit: Ein "typischer Mann" wirft ein Steak auf den Grill, trinkt dazu Bier und redet lieber über Fußball als über seine (gesundheitlichen) Probleme? Kein Wunder, dass die Lebenserwartung von Männern eine kürzere ist.
Shanna hat jedenfalls gelernt, eine mündige Patientin zu sein und lieber zweimal nachzufragen – auch wenn das ihren Myokardinfarkt nicht mehr rückgängig macht.
Stab
- Moderation - Lisa Budzinski