Sie zerschlagen Jahrtausende alte Skulpturen, sprengen antike Ruinen und Moscheen. Eine Spur der Vernichtung durchzieht seit mehreren Jahren den Irak und Syrien. Überall, wo die Krieger des IS Gebiete unter ihre Kontrolle bringen, ermorden sie Menschen und zerstören alles, was nicht in ihr Weltbild passt. Dabei setzen sie ihre Untaten auch noch mediengerecht in Szene. Die selbsternannten Gotteskrieger schockieren die Welt nicht nur mit professionell aufgemachten Videos von barbarischen Hinrichtungen – sie dokumentieren ebenso ihren fanatischen Feldzug gegen das Weltkulturerbe im Vorderen Orient. Der jüngste Anschlag galt der berühmten Ruinenstadt Palmyra, deren gut erhaltene Tempel aus römischer Zeit mit Sprengstoff buchstäblich ausradiert wurden.
Als im Dezember 2010 der "arabische Frühling" ausbrach, hegten die Menschen im Nahen Osten große Hoffnungen. Doch die Entwicklungen verliefen anders als erwartet. Seitdem haben nicht nur Tausende ihr Leben verloren und Hunderttausende ihre Heimat, ganze Landschaften haben ihr Aussehen verändert. Die Truppen des selbst ernannten "Islamischen Staates" (IS), die in vielen Ländern der arabischen Welt auf dem Vormarsch sind, haben nicht nur den regierenden Herrschern den Krieg erklärt, sondern auch dem Welterbe.
Politisches und wirtschaftliches Kalkül
Die Zerstörung von Statuen und Tempeln schreitet aktuell mit atemberaubender Geschwindigkeit voran. Dahinter steckt nicht nur der religiöse Eifer, alles Unislamische zu zerstören, sondern auch politisches und wirtschaftliches Kalkül. Uralte Kulturstätten werden zerstört, um mit dem illegalen Handel von Antiken die Kriegskasse zu füllen, oder die Welt mit diesen barbarisch anmutenden Demonstrationen der Macht zu schockieren. In den Propagandavideos des IS zertrümmern johlende Männer mit Äxten und Hämmern Skulpturen, reißen antike Gemäuer ein und treten Statuen um, ein öffentlichkeitswirksamer Bildersturm.
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In ihren Videos liefern die Fanatiker auch Erklärungen für ihr Tun und berufen sich auf islamische Überlieferungen und Traditionen – aber auf ganz einseitige. Denn gerade der frühe Islam mit seiner Aufgeschlossenheit gegenüber Kunst und Kultur zeigt ein ganz anderes Gesicht. Erst mit dem Erstarken der fundamentalistischen Sekte der Wahabiten auf dem Gebiet des heutigen Saudi-Arabien im 18. und 19. Jahrhundert zieht Kulturfeindlichkeit in die islamische Welt ein. Ganz im Geist ihrer wahabitischen Vorgänger zerstört der IS nicht nur antikes Erbe, sondern auch Friedhöfe und Moscheen, wenn dort etwa ein Heiliger verehrt wird. Das gilt den Fanatikern schon als Gotteslästerung.
Tausende von Raubgrabungen
Dass manche Orte in Syrien aussehen wie deutsche Städte nach dem Zweiten Weltkrieg, zeigen aktuelle Satellitenbilder. Auf ihnen wird auch deutlich, dass es tausende von Raubgrabungen gibt, bei denen archäologische Stätten, wo handliche Funde erwartet werden, penibel ausgegraben und geplündert werden. Das neueste Geschäftsmodell in Syrien: Der IS vergibt teure Lizenzen an Raubgräber, die unter seinem Schutz plündern dürfen. Für Archäologen und Orientalisten ist der Verlust besonders schmerzlich. Die Früchte ihrer Arbeit werden ein für alle Mal zunichte gemacht. Durch die Raubgrabungen gehen nicht nur Objekte verloren, sondern vor allem der Fundzusammenhang, in dem der eigentliche wissenschaftliche Wert liegt.
Die Zerstörungswut der Islamisten ist nicht auf den Vorderen Orient beschränkt. Bereits 2001 brachte es das afghanische Bamiyan zu trauriger Berühmtheit. Dort sprengten die Taliban mehrere bis zu 50 Meter hohe Buddhastatuen in die Luft. Auch afrikanische Länder wie Mali werden mittlerweile von fundamentalistischem Terror erschüttert. Nur dem mutigen Eingreifen eines Bibliothekars in Timbuktu ist es zu verdanken, dass fast 300.000 uralte arabische Handschriften erhalten sind. Viele sind verbrannt.
Virtuelle Rekonstruktionen
Mithilfe der Aufnahmen aus früheren Terra X-Produktionen über die bedeutenden historischen Stätten des Vorderen Orients, der Auswertung von Satellitenbildern, den Propagandavideos des IS, Experteninterviews und anderen Quellen dokumentiert der Film das Ausmaß der Zerstörung. Wissenschaftler stehen der Katastrophe weitgehend hilflos gegenüber. Immerhin gibt es Versuche, die archäologischen Stätten zumindest virtuell für die Nachwelt zu bewahren. Dazu dienen hochauflösende 3D-Fotografien, auf denen ganze Gebäude oder Architekturteile detailreich und dreidimensional abgebildet werden. In Zukunft könnten diese Aufnahmen dazu dienen, die Gebäude wieder zu rekonstruieren.
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