Pioniere am Himmel

John Brown sah sich in den vergangenen Jahren vielen Vorwürfen ausgesetzt, einige warfen ihm vor, nicht seriös zu arbeiten. In einem kurzen Interview hat uns Brown fünf Antworten auf die brennendsten Fragen gegeben.

Wie stießen Sie auf das Thema?
Durch Zufall. Vor fünf Jahren recherchierte ich im US-Bundesmuseum Smithsonian. Beim Fachsimpeln im Büro des Chefhistorikers erfuhr ich erstmals von der Kontroverse um den ersten Motorflug. Nach einem kurzen Blick in die neuen Digitalarchive war ich überzeugt: „Da ist mehr dran!“

Was fanden Sie?
Dokumentarische Zeugen- und möglicherweise auch Bildbelege für insgesamt 16 Motorflüge vor den Brüdern Wright. Die Printquellen waren seriös (z.B. Scientific American), und die Zeugen waren glaubwürdig (u.a. Journalisten, Beamte und Ingenieure). Die Beweislage ist solide.

Was passierte dann?
Im März 2013 ging die Nachricht von Weißkopfs möglichem Erstflug um die Welt. Die Reaktionen waren überwiegend emotional. Die einen jubelten, die anderen waren aufgebracht. Das Thema polarisierte, was mich überraschte. Eigentlich geht es nur um eine nüchterne Analyse von Flugphysik und Beweisen. Doch irgendetwas heizte die Gemüter an. Man identifiziert sich offenbar auch heute sehr mit diesen historischen Figuren.

Und heute?
Nach einer Phase der Ablehnung oder Ignoranz sah sich die Fachwelt genötigt, sich
mit dem Thema auseinander zu setzen. Die Medien waren dabei hilfreich, denn Journalisten müssen von Berufswegen Fakten und Fiktion auseinander halten. Als sie näher hinsahen, erkannten auch sie sofort, dass an dieser Geschichte was dran ist!

Wie geht’s weiter?
Das Deutsche Museum in München wird am 19. Oktober 2016 ein Symposium darüber abhalten. Dabei treten mit mir zwei Redner vom Verband der Luftfahrtsachverständigen (für Weißkopf) gegen eine Auswahl des Deutschen Museums (gegen Weißkopf) an. Schirmherr ist der bayerische Innenminister Dr. Herrmann.

Zur Vorbereitung darauf veröffentlichte ich ein Buch, in dem ich alle Fakten, die den Erstfluganspruch Weißkopfs unterstützen, darlege. Aber nicht nur das ... Im Rahmen meiner Recherche entdeckte ich Ungereimtheiten, die aus sachverständiger Sicht den Anspruch der Brüder Wright von Dezember 1903 in Frage stellen. Auch das war Zufall. Mal schauen, wo diese Zufälle hinführen.

Interview von Michael Büsselberg

1874 Gustav Weißkopf wird im fränkischen Leutershausen geboren.

1890 Weißkopf verlässt Deutschland.

1891 Weißkopf heuert 17-jährig als Matrose an und fährt drei Jahre lang zu See, u.a. zwischen Europa und Amerika.

1894 In einer Wetterwarte baut Weißkopf Wetterdrachen.

1895 bis 1897 Weißkopf baut Segelapparate für die Boston Aeronautical Society.
Die Brüder Wright sind als Unternehmer und Ingenieure im Fahrrad-Geschäft erfolgreich tätig.
Otto Lilienthal ist bis zu seinem Tod im August 1896 der weltweit führende Flugpionier

1897 Der New York Herald berichtet über Weißkopf und seine Konstruktionskünste.

1899 Die Wrights beginnen sich mit Flugmaschinen zu befassen.

1900 Weißkopf lässt sich in Bridgeport/Connecticut nieder.
Die Brüder Wright bauen ihren ersten Segelapparat und starten erste Versuche mit Gleitfliegern in Kitty Hawk.

14. August 1901 Möglicherweise erster Motorflug mit Gustav Weißkopf. Am 18. August erscheint der Augenzeugenbericht eines Journalisten im Bridgeport Sunday Herald. Der Journalist begleitet Weißkopf bei seinem Flugversuch mit der „Nr. 21“ unweit seines Wohnortes im benachbarten Fairfield. Er berichtet, dass Weißkopf etwa 800 Meter weit in bis zu 15 Meter Höhe flog.

1903 Den Brüdern Wright gelingt es, ein Flugzeug mit Motor zu bauen.
17. Dezember: Laut Tagebucheintrag von Orville Wright erfolgreicher Flugversuch 260 Meter in 59 Sekunden in Kitty Hawk. Die Versuche finden weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

1908 Die Wrights veröffentlichen erstmals ein (heute umstrittenes) Beweis-Foto des Fluges von 1903.

1912 Ende von Weißkopfs Selbstständigkeit als Flugzeug- und Motorenbauer durch Zahlungsunfähigkeit und Pfändung. Bis zu seinem Lebensende arbeitet er u.a. als Fabrikarbeiter in Bridgeport, bzw. als freiberuflicher Reparaturdienstleister in Fairfield.

1920 Orville Wright schreibt die Geschichte der Luftfahrt nieder. Die Flüge von Kitty Hawk haben ihn zu einem reichen und berühmten Mann gemacht.

1927 Gustav Weißkopf stirbt am 10. Oktober in Fairfield. Er wird in einem Armengrab ohne Grabstein beigesetzt.

1937 Die Autorin Stella Randolph veröffentlicht ein Buch, das den Anspruch der Wrights in Zweifel zieht. Das Herzstück ihrer Argumentation ist der drei Jahre zuvor wieder aufgetauchte Augenzeugen-Bericht des Journalisten Richard Howell im Bridgeport Sunday Herald vom 18. August 1901.

1945 Readers Digest stellt Gustav Weißkopf als den Mann vor, der als Erster geflogen ist. Orville Wright reagiert mit dem Artikel „Weißkopfs Erstflug – ein Mythos“.

1948 Die Brüder Wright werden in den USA vom Wissenschaftsmuseum Smithsonian als Väter der Luftfahrt anerkannt. Die Anerkennung ist an einen Vertrag mit den Wright-Erben verknüpft, der erst 30 Jahre später bekannt wird. Er legt schriftlich fest, wer für das Smithsonian als Erstflieger zu gelten hat. Dafür erhält das Museum den Flieger von Kitty Hawk.

1968 Der US-Bundesstaat Conneticut erkennt Gustav Weißkopf offiziell als Vater der Luftfahrt an.

2011 Der australische Luftfahrtexperte und Historiker John Brown stößt in den USA auf die fast schon begrabene Kontroverse. In digitalen und anderen Archiven entdeckt er zahlreiche bisher unbekannte Artikel, die für einen möglichen Erstflug durch Weißkopf sprechen.

2013 Der US Staat Conneticut und das renommierteste Flugfachblatt der Welt ("Jane's All the World Aircraft") erkennen Weißkopf als ersten Motorflieger der Welt an.

Otto Lilienthal
Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst
Steffen Verlag (2003, Reprint der Originalausgabe von 1889)

Otto Lilienthal ist einer der bedeutendsten Pioniere der Luftfahrt. Das Werk gilt als die wichtigste Veröffentlichung zum Thema „Fliegekunst“ im 19. Jahrhundert und ist heute in weiten Teilen immer noch der Maßstab für Aerodynamik und Flugmechanik.

Joe Bullmer
The WRight Story – The true story of the Wright Brothers’ contribution to early aviation (engl.)
BookSurge Publishing (2009)

Eine umfassende Abhandlung der Pionierzeit der Luftfahrt, beginnend im Jahre 1740. Kernstück des Buches ist die Entschlüsselung von 26 Mythen rund um die Leistungen der Brüder Wright.

John Brown
Gustav Weißkopf und die Brüder Wright – Wer flog zuerst?
CreateSpace Independent Publishing Platform (2016)

Für die meisten Flughistoriker sind die Wright-Brüder unumstößlich die erfolgreichen Motorflug-Pioniere. Der Australier John Brown vertritt jedoch eine andere These. Mit neu entdeckten Dokumenten nimmt er die Geschichte um den Erstflug wieder unter die Lupe. Seine These: Der Deutsche Gustav Weißkopf flog zuerst. Darüber ist ein heftiger Streit in der Expertenszene entbrannt. Ausgang offen.

Lawrence Goldstone
Birdmen: The Wright Brothers, Glenn Curtiss, and the battle to control the sky (engl.)
Ballantine Books (2015)

Das Buch beleuchtet vor allem den Konflikt zwischen den Wrights und ihren Rivalen in der Zeit nach dem legendären Kitty Hawk-Flug von 1903, der die Brüder berühmt gemacht hat. Vor allem die Versuche, die Kontrolle über Luftfahrtaktivitäten zu erlangen und den kommerziellen Erfolg zu kanalisieren, stieß so manchem Konkurrenten bitter auf.

Peter L. Jakab, Tom D. Crouch
Wright Brothers and the Invention of the Aerial Age (engl.)
WW Norton & Co (2003)

Das Portrait erschien zum 100-jährigen Jubiläum des legendären Fluges der Brüder Wright und befasst sich vor allem mit dem Weg der Wrights von ihren Anfängen in Ohio und den letzten entscheidenden Jahren bis zum legendären Motor-Flug im Jahre 1903.

"Siegeszug der Düsenjets": Vor rund 80 Jahren gelang es zwei Tüftlern die Luftfahrt zu revolutionieren: Unabhängig voneinander entwickelten der Engländer Frank Whittle und der Deutsche Hans von Ohain einen neuartigen Antrieb.

Siegeszug der Düsenjets

Erstausstrahlung ZDF Sonntag, 24. Juli 2016, 19.30 Uhr

Film von Tilmann Remme

Redaktion TV Jens Monath
Redaktion Online Michael Büsselberg