Von Paris nach Konstantinopel mit einem einzigen Verkehrsmittel reisen zu können, war gegen Ende des 19. Jahrhunderts eigentlich undenkbar. Mit seinem Vorhaben hat der Belgier Georges Nagelmackers viel zur Völkerverständigung beigetragen: in einer Zeit abgeriegelter Grenzen in Europa, Misstrauen zwischen Regierungen und bürokratischer Hindernisse.
Einzigartige Verbindung zwischen Orient und Okzident
Den "Zug der Züge", wie der Orient Express auch genannt wird, aufs Gleis zu setzen, erforderte Durchhaltewillen. Mehrmals drohte das ambitionierte Projekt zu scheitern, denn Nagelmackers stand vor der Pleite mit seiner Schlafwagengesellschaft, der damaligen Compagnie International des Wagons-Lits (CIWL). Doch er hielt beharrlich an seinem Ziel fest, Europas Metropolen mit Nachtzügen zu verbinden. Die Premierenfahrt im Jahr 1883 vom Gare de l'Est in Paris in Richtung Konstantinopel bildet die Rahmenhandlung der Doku, über eine bis zu diesem Zeitpunkt einzigartige Verbindung zwischen Orient und Okzident.
Diese erste Reise bildet damit den Auftakt für eine Revolution des Reisens: Nagelmackers etabliert ein Netz von Nachtzügen, das die europäischen Metropolen erstmals miteinander verbindet - und das auf eine für damalige Verhältnisse vollkommen neue Art: Komfortable Schlaf- und Speisewagen machen den Besuch fremder Länder attraktiv, ganz anders als zuvor mit quälend langsamen Postkutschen und unzähligen Grenzkontrollen.
Nagelmackers Waggons schrieben Weltgeschichte
In dieser Dokumentation geht es dabei auch auf Spurensuche in der sagenumwobenen Gründerzeit des Orient Express. Relikte gibt es nur noch wenige und doch konnten sie aufgestöbert werden: Original-Lokomotiven in Budapest, Wien und Nürnberg sowie den einzigen noch fahrtüchtigen Teakholz-Speisewagen. Darüber hinaus erläutern Historiker, mit welchen diplomatischen Raffinessen es gelingen konnte, die überaus schwierigen geographischen und menschlichen Grenzen zu überwinden.
Nach Nagelmackers Tod schrieben die Waggons seiner Schlafwagengesellschaft Weltgeschichte: Der Waggon Nr. 2419 D war zwar nie in den Orient Express direkt eingereiht, gehört aber zu dessen Fuhrpark. 1918 wurde auf einer Lichtung der nordfranzösischen Stadt Compiègne die Beendigung der Kampfhandlungen zwischen dem Deutschen Kaiserreich und den Streitkräften der Entente vereinbart. Und 22 Jahre später erzwang Hitler in genau diesem Waggon die endgültige Kapitulationserklärung Frankreichs.
Reise auf der alten Gotthard-Bahnroute
Ein Mord im Orient Express?
Viele Geschichten schaffen ein Bild des legendären Orient Express, und vieles ist während dieser Reisen geschehen, offenbar nur eines nicht: Einen Mord, wie von Agatha Christie beschrieben, hat es in den vornehmen Wagen angeblich nie gegeben.