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Magie der Märchen - Frau Holle und ihre versunkene Welt

In der ersten Folge der neuen "Terra X"-Reihe "Magie der Märchen" betreten die Autoren die mythische Welt der Frau Holle und zeigen, wie die germanische Sagenfigur ins Märchen kam.

Videolänge:
43 min
Datum:
04.10.2020
:
UT
Verfügbarkeit:
Video verfügbar bis 04.10.2030

Der Brunnen als Tor in die fantastische Welt der Frau Holle. Sie belohnt die Fleißigen und bestraft die Faulen. Wie kein anderes Märchen offenbart die Erzählung, wie nachhaltig die bürgerliche Moralvorstellung des 19. Jahrhunderts das Frauenbild prägte. 

Goldmarie steht mit einem Fuß auf dem Brunnen kurz vor ihrem Absprung hinein.
Die Goldmarie springt in den Brunnen, um ihre verlorene Spindel wieder hochzuholen. Der Brunnen ist im Märchen das Tor in die Welt von Frau Holle.
Quelle: ZDF/Sabine Finger

Der Brunnen als zentrale Rolle

Frau Holle lässt es schneien, wenn sie die Betten aufschüttelt – das hat wohl jeder schon einmal gehört und sich gewundert: Wie kann das sein? Im Märchen stecken aber noch mehr Geheimnisse, die nicht auf den ersten Blick zu entschlüsseln sind. Eines davon ist der Brunnen – ein mit vielfachen Bedeutungen aufgeladener Ort. Am Brunnen sitzen in der germanischen Mythologie die Nornen, die für die Menschen den Schicksalsfaden spinnen. Im Märchen der Brüder Grimm ist er das Durchgangstor in eine andersartige, fantastische Welt. Doch auch in der realen Welt spielt der Brunnen eine zentrale Rolle. Brunnen sorgen seit jeher für das lebensnotwendige Wasser. Über Jahrhunderte trafen sich am Brunnen vor allem die jungen Frauen. Der Ort war eine Börse für Gerüchte und ein Fokus des sozialen Lebens.

"Frau Holle" ist vor allem eine Geschichte über zwei junge Frauen: Goldmarie und Pechmarie. Es ist das einzige bekannte Märchen, in dem nur Frauen vorkommen. Wie sahen ihre Lebenswelten aus, ihre Lebensentwürfe und Optionen? 

Im Vordergrund steht Pechmarie mit Pech überzogen und im Hintergrund die Mutter mit entsetztem Gesichtsausdruck.
Die faule Pechmarie wird zur Strafe von Frau Holle mit Pech überschüttet. Die bürgerliche Botschaft des Grimm’schen Märchens: Die Fleißigen werden belohnt, die Faulen bestraft.
Quelle: ZDF/Sabine Finger

Moralische Leitlinie für die sittsame Frau

Das Märchen entstand in der Form, wie es heute bekannt ist, in der Biedermeierzeit. Die Geschichte von der fleißigen Goldmarie und der faulen Pechmarie sollte eine Art moralische Leitlinie für die sittsame Frau sein. Für Dienstmädchen gab es später sogar ein Handbuch mit präzisen Verhaltensregeln. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung des Bürgertums landeten immer mehr junge Frauen vom Land in den Haushalten der wohlhabenden Städter. Im Märchen ist der Schauplatz das magische Reich von Frau Holle. Dort treffen zwei Welten aufeinander: die übermächtige Frau Holle und zwei ganz normale Mädchen, die auf die Probe gestellt werden.

Frau Holle selbst hat ihren ersten Auftritt erst spät im Märchen. Sie ist eine rätselhafte Figur. Wer eigentlich dahinter steckt, darüber streiten sich die Forscher. Einigkeit besteht darin, dass sie auf uralte weibliche Gottheiten zurückgeht. Die altrömische Diana, die germanische Freya – viel spricht dafür, dass Frau Holle mit diesen und weiteren in eine Reihe zu stellen ist. Eine Erklärung gibt es aber dafür, dass die Erinnerung an diese mythische Figur sonst weitgehend verschwunden ist: Die Mönche, die vor über tausend Jahren im heutigen Deutschland das Christentum verbreiteten, haben gründliche Arbeit geleistet.

Schaurige, gruselige maskierte Figuren stehen unter einem düsteren Gewölbebogen.
Im österreichischen Abtenau findet jedes Jahr der sogenannte Perchtenlauf statt. Ein Brauchtum, um den Winter und böse Geister zu vertreiben. Eine der Hauptfiguren ist Frau Perchta, das mythische Vorbild für Frau Holle im Grimm-Märchen.
Quelle: ZDF/Sabine Finger

Maria ersetzt weibliche Gottheiten

Auch in der damals neuen Religion gab es eine weibliche Figur, die im Volk bald große Verehrung genoss: die Mutter Maria. Im fränkischen Amorbach und in Würzburg kann man sehen, wie Stätten heidnischer Göttinnen umgewidmet und an ihrer Stelle Kapellen für die Mutter Gottes gebaut wurden. Nur im Alpenland hat eine späte Ausprägung des heidnischen Kultes überlebt: Im "Perchtenlauf", der zum Jahreswechsel bis heute große Zahlen von Besuchern anzieht.

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